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Lebt die DDR weiter?

AW: Lebt die DDR weiter?

Ich hör jetzt auch auf und halte mich, wie ich es eigentlich eh mache in diesem Forum, aus politischen Diskussionen besser raus, es bringt nichts als Frust für alle Beteiligten.
Ich "hasse" dich nicht, Hartmut! Ich finde die gesamtdeutsche Geschichte furchtbar!

Fortuna

fortuna, ich halte solch eine politische Diskussion im Forum für eine gute Gelegenheit, gegenseitig gegenteilige Standpunkte und Argumente darzulegen.
Selten wird man sein Gegenüber von der eigenen Meinung überzeugen können,

Wenn ich hier immerzu gegen den Mainstream meine eigene Weltsicht zur diskussion stelle, habe ich aber stets versucht, dies in einem Tonfall zu erreichen, der den anderen nicht beleidigt.

Hass würde ich nur erkennen lassen, wenn jemand einen sadistischen Mörder oder Tierquäler rechtfertigt,
aber über die DDR und "wie sie nun wirklich war" sollte man doch unterschiedliche Standpunkte akzeptieren ohne sich anzugiften.

Ich finde Hartmuts Standpunkt (zum antifaschismus) sehr bedenkenswert
und zur Kunst in der DDR kann ich meine Erfahrung der Lektüre einiger bücher von Hermann Kant beisteuern
("die Aula", "der dritte Nagel" und "das Impressum")
ich weiß, daß die Ossis es zu DDR zeiten schon bestätigt haben:
hier werden die Denkweise der Leute und deren Alltag sehr realistisch und auch systemkritisch widergegeben.

Also, Fortuna und Hartmut, benehmt Euch alters- und bildungsgerecht

nicht so :wut2:
sondern so :fechten:

läßt sich das nicht machen?

fragt Claus
 
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AW: Lebt die DDR weiter?

Lieber Claus,
ich hab aber keinen Bock mehr!
Nur eins möchte ich noch sagen: da ich die Grundidee des Sozialismus gut finde, finde ich es jammerschade, dass der Ostblock so einen Bockmist daraus gemacht hat, er hat eine historische Chance verschenkt.
Es sah 1989 nämlich so aus, als hätte der Kapitalismus "gesiegt", dass das ein Pyrrhussieg war, wird immer deutlicher.
Sicher ist jeder Standpunkt bedenkenswert, aber wie gesagt, ich weiß zuviel durch familiäre Kontakte über die DDR, als dass ich da viel bedenken muss.
Was weißt du? Es gab ja bis zu ihrem Zusammenbruch eine linke Bewegungen in Westdeutschland, die hinter allem standen, was in der DDR geschah, schon aus Prinzip, um sich gegen den Kapitalismus abzusetzen. Die waren zum Teil echt glühend überzeugte Vasallen und taten jede Kritik an der DDR ab mit der Aussage, das seien noch die Kinderkrankheiten, man müsse dem Regime nur Zeit geben. Die erste Freundin meines ältesten Sohnes war ein Mädchen, dessen Vater für ein SED Presseorgan in Westdeuschland schrieb.
Hast du je ein solches Erzeugnis gelesen oder in der DDR herausgebrachte Zeitungen?
Warst du je in der DDR und hast dort nur die Atmosphäre gespürt?
Meinst du übrigens wirklich, meine Schreibe sei voller Hass?
Ich bin empört, das stimmt! Aber das richtet sich niemals gegen die ostdeutschen Menschen, nur gegen die, die das Regime verkörperten und durchdrückten. Es war menschenfeindlich, weil es jeden Individualismus unterdrückte und alle die, die es nachträglich verklären, sind IMO naiv. Oder trotzig, weil es so beschissen weitergegangen ist, weil sie so enttäuscht wurden. Letztere kann ich sogar verstehen.
Die Menschen haben dort die ganze Zeit von der Hoffnung gelebt, entweder, dass sich der Sozialismus doch eines Tages noch aufraffte und hielt, was er versprach oder aber die Hoffnung auf die Wiedervereinigung, und die sollte das Paradies auf Erden bringen.
Anfangs sah ja auch alles so wunderbar aus! Ich war selber in Berlin und eine der ersten, die ungehindert an urplötzlich superfreundlichen Grenzkontrollen vorbei Ostberlin betraten. Die Stimmung war unbeschreiblich!
Wie sind wir doch ALLE betrogen worden!
So, jetzt habe ich gegen meinen Willen doch wieder was gesagt :zunge3: !

Fortuna
 
AW: Lebt die DDR weiter?

Lieber Claus,
ich hab aber keinen Bock mehr!
Nur eins möchte ich noch sagen: da ich die Grundidee des Sozialismus gut finde, finde ich es jammerschade, dass der Ostblock so einen Bockmist daraus gemacht hat, er hat eine historische Chance verschenkt.


Ich finde das interessant, dass du, Fortuna, offensichtlich dich viel mehr über die DDR erregst, als alle EX-DDRler, die ich so kennen gelernt habe. Darunter welche, die unter abenteuerlichen Umständen geflüchtet sind, ausgereist sind oder stark benachteiligt waren.
Sie sprechen alle nicht so emotional über die DDR wie du. Vielleicht erklärt sich das durch deine Offenbahrung, dass du eigentlich mit der Idee sympathisierst, also die DDR als Verräter an der Idee siehst.

Was Ex-DDRler wie auch z.B. Hartmut vereint, ist eine manchmal unscharfe Sicht auf Eigenschaften oder Erungenschaften, die man dem "System DDR" zuordnet oder eben unabhängige Entwicklungen sind.
So auch bei den DDR-Schriftstellern: Natürlich hat es da auch Gute gegeben...aber hat es sie wegen oder trotz des Systems gegeben? Hat das System DDR nicht vor allem Einfluss auf sie dahingehend gehabt, dass sie gegen das System anschreiben mussten? Ihre geheimsten Ideen nur in Tagebüchern niederschrieben wie Christa Wolf. Ausgebürgert wurden wie Biermann, seltsamerweis gegen seinen Willen usw.
Die Haltung Biermanns scheint mir hier typisch zu sein. Die Bonzen usw. verachten und dennoch seine (auch politische) Heimat in dem System zu sehen. Das scheint mir manchmal wie eine interessante, wenn auch nicht unerklärliche Schizophrenität zu sein.
Als von außen Draufblickenden kommt mir die Zurechnung einer besonderen antifaschistischen Haltung, einer besonders emanziperten Frauenbewegung oder auch einer besonderen literarischen Qualität auf das System, wie gesagt, sehr fragwürdig vor. Man muss da eigentlich von Fall zu Fall, von Phänomen zu Phänomen differenzieren.
INteressanter wäre beim Thema Literatur z.B die nach wie vor vorliegende Entfremdung zwischen EX-DDR und West-Literatur zu betrachten. Hier gibt es eine Kluft, die ich aber nicht politisch, sondern eher ästhetisch betrachten würde. Mein Eindruck ist, dass sich im Osten noch lange ein soezifisch kritischer Ton hielt, der aber den eigenen Standpunkt (so wie bei Biermann) wenig hinterfragte; so nach dem Motto: O.K., du bist kritisch - aber für was stehst DU? Als würde das Verlorensein zwischen den Systemen erst sehr zögerlich thematisiert und adäquat in Worte gefasst.
Das aber nur ein Eindruck, detailliert belegen kann ich das nicht.
 
AW: Lebt die DDR weiter?

So, jetzt habe ich gegen meinen Willen doch wieder was gesagt :zunge3: !
Fortuna

liebe fortuna, ich hoffe, du besiegst deinen inneren Schweinehund noch öfter :)

nun, ich kenne viele Menschen, die sich in der DDR als Kommunisten im edelsten Sinne fühlten und danach gelebt haben,
einzelne Beispiele habe ich hier schon mal in eineem Disput mit Ziesemann geschildert,
ja, fortuna, sie sind betrogen worden !
Ich bin davon überzeugt, daß 1968 ein wendepunkt in der Geschichte des Sozialismus war,
hätte damals schon Gorbi das Sagen gehabt, hätte sich mit Dubcek zusammengatan, wäre der Ostblock nicht zusammengebrochen, weder ökonomisch noch infolge der später immer mehr menschenverachtenden Politik seiner Bonzen,
deren eigentliches verbrechen ich darin sehe, daß sie die Ideale von einer besseren gesellschaft,
in der nicht der Kontostand sonder die Arbeitsleistung eines Menschen der Maßstab für seine Beurteilung sind,
für alle Zeit von der zukünftigen Realisierung abgeschnitten haben

Konkret zur DDR:
ich meine auch, du siehst das zu verbissen:
Gegenbeispiel ist Kanzlerin Merkel, ihre biografie zeigt doch, daß nicht nur Stasileute dort zu Bildung, Stellung und Ansehen kommen konnten.

Jeder durfte seine Meinung haben und im Freundes- und Familienkreis äußern
(schließlich war es auch kein Geheimnis, daß die meisten Leute Westfernsehen geguckt haben und der Wald von Westantennen war sicher manchem Bonzen auch ein Dorn im Auge)
nur staatsfeindliche Äußerungen in der Öffentlichkeit wurden geahndet, wobei aber schon eine Äußerung wie
"wir wollen mehr Demokratie"
oder "die Mauer muß weg"
eine staatsfeindliche Äußerung war.

Ich denke, Hartmut als bekennender DDR bürger muß mehr Geduld mit den Wessis haben, die wirklich oft die Verhältnisse dort allzusehr durch eine schwarz-weiß Schablóne sehen

meint Claus
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Lebt die DDR weiter?

Sicher ist jeder Standpunkt bedenkenswert, aber wie gesagt, ich weiß zuviel durch familiäre Kontakte über die DDR, als dass ich da viel bedenken muss.
Was weißt du?

Hallo Fortuna, in Beantwortung Deiner Frage darf ich aus einm post von mir zitieren,

Nr.32 aus diesem thread

Wie gesagt, ich kenne da andere Kommunisten.
Auch ich habe sie in der DDR kennengelernt.
Zwei Physiker, mit dem einen hatte ich beruflichen kontakt,
den anderen habe ich bei anderer Gelegenheit kennengelernt.


1.Kommunist
hat (so etwa 1980 oder etwas früher) im damaligen „Edelstahlwerk Freithal“ in Sachsen die einrichtung eines Hightech-Labors für den „Weltniveaubetrieb“ geleitet. Das ist nicht zu vergleichen mit einer vergleichbaren Arbeit bei uns. Der Stress ging weit über das rein fachliche hinaus: er hatte viel Kontakt zu westlichen Partner (und folglich mit der Stasi), umgang mit Devisen in fünfstelliger Höhe, Ärger mit der mangelwirtschaft der DDR und einer unbeschreiblich rigiden bürokratie,
.In seinem Büro hing die Losung: „mein Arbeitsplatz- mein Kampfplatz für den Frieden.“
als das Projekt fertig war (nach einigen jahren!), war er es auch,
die Partei hat ihm dafür den Orden „Held der Arbeit“ verliehen, er hat es als die Krönung seines Lebens gesehen
Er lebt nicht mehr. Ich hatte nicht nur Hochachtung vor seiner fachlichen Leistung sondern auch vor seinen menschlichen Qualitäten (sofern unser kurzer Kontakt das zuließ).

2.Kommunist
war leitend in der Forschung tätig in einem „Pionier- und Spitzenkomplex“ in der chemischen Industrie in Schwedt.
Er hat sich aufgerieben mit ähnlichen Problemen wie der erstgeschilderte Fall
Es ging um das Vorhaben, aus Erdöl mit Hilfe eines ganz neuen biotechnischen Verfahrens Viehfutter zu machen. Dieses Ziel erreicht zu haben, bis zur Fertigstellung einer Produktionsanlage, hat ihn aber die Gesundheit gekostet. Erschwerdend kam hinzu, daß die Anlage nach der Wende abgerissen wurde, weil nach bundesdeutschem Recht eine Verwendung von Erdölprodukten als Futtermittel nicht zulässig ist. Die vertraglich gebundenen Abnehmer aus den „Bruderländern“ waren ohnehin weggebrochen. Die Anlage wurde abgerissen.
als ich ihn kennengelernt habe, war er schon schweren Depressionen verfallen.
Da er wie jeder in so einer Position auch mit der Stasi zu tun hatte (das projekt unterlag der höchsten Geheimhaltungsstufe), hat man ihn, einen ehrenwerten Kommunisten, verfemt.
Aber er hat mir voller Stolz seinen „Vaterländischen Verdienstorden“ gezeigt und die von Honnecker persönlich unterzeichnete Urkunde.

Also, Leute, es gab nicht nur die bösen, blutrünstigen kommunisten, die aus Adolfs Bilderbuch mit dem Messer zwischen den Zähnen!
 
AW: Lebt die DDR weiter?

Was Ex-DDRler wie auch z.B. Hartmut vereint, ist eine manchmal unscharfe Sicht auf Eigenschaften oder Erungenschaften, die man dem "System DDR" zuordnet ...

... Zurechnung einer besonderen antifaschistischen Haltung, einer besonders emanzipierten Frauenbewegung oder auch einer besonderen literarischen Qualität auf das System

Hallo Robin,

meine Sicht erachte ich selbst nicht als unscharf. Unscharf ist eher deine Verwendung des Attributes "besonders". Zur Klarstellung meiner Sicht folgende Präzisierungen:

nicht besondere antifaschistische Haltung, sondern konsequent antifaschistische Haltung,

nicht besonders emanzipierte Frauenbewegung, sondern weitgehend realisierte Gleichberechtigung der Frauen,

nicht besondere literarische Qualität, aber auch keine jämmerliche Literatur.

Mit manchen Ossis hat man's halt schwer ...:)

Gruss
Hartmut
 
AW: Lebt die DDR weiter?

Hartmut schrieb:
nicht besondere antifaschistische Haltung, sondern konsequent antifaschistische Haltung

Erzähl uns doch mal eine Mär aus Bautzen; wir revanchieren uns mit einer Geschichte aus Stammheim. Okay?

Grüße, Gaius
 
AW: Lebt die DDR weiter?

Robin schrieb:
Das aber nur ein Eindruck, detailliert belegen kann ich das nicht.
Sicher, ein vorgeordnetes Gesellschaftssystem erleichtert die eigene Selbstbestimmung: man macht mit (und löscht sich aus) oder man macht nicht mit (und löscht sich aus).

Irmtraud Morgner, auch Christa Wolf, hatten ihren Romanfiguren einen größeren Abstand zum "System" gegönnt als Ingeborg Bachmann, Martin Walser oder sogar Siegfried Lenz, deren Figuren unpolitisch blieben, weil sie in ihrer Lebensumwelt unmittelbar aufgingen, ohne nach einem "System" überhaupt zu fragen. Der einfache Segen, schlicht am falschen Mann plus Medikamentenabhängigkeit zugrunde zu gehen (Bachmann, "Malina", "Der Fall Franza"), oder an der eigenen blinden Selbsteinschätzung (Walser, "Der Sturz", "Finks Krieg") oder einfach nur am Älterwerden zu scheitern (Lenz, "Brot und Spiele") - solch einfacher menschlicher Segen blieb den Figuren der DDR-Literatur weitgehend erspart. Exemplarisch dagegen der vergebliche Versuch der achthundert Jahre alten Trobadora Beatriz in Morgners großem Roman, bei den DDR-Behörden eine Genehmigung als Zirkusattraktion zu erhalten. Die Trobadora findet später Unterschlupf bei einer überzeugten Triebwagenführerin - die Figuren der gleichzeitigen westdeutschen Literatur finden Unterschlupf noch nicht einmal bei sich selbst. Man möchte ihnen ein bißchen DDR-Ironie glatt gönnen, damit sie es in all ihrer Selbstverantwortung nicht gar zu kalt hätten.

Robin schrieb:
Als würde das Verlorensein zwischen den Systemen erst sehr zögerlich thematisiert und adäquat in Worte gefasst.
Erschwert dadurch, daß alle deutsche Literatur seit dem zwoten Weltkrieg eher auf Bewältigung, wenn nicht Verdrängung aus ist - und es beide "Systeme" so nicht mehr gibt - wer weiß, nie gegeben hat.
 
AW: Lebt die DDR weiter?

Sie sprechen alle nicht so emotional über die DDR wie du. Vielleicht erklärt sich das durch deine Offenbahrung, dass du eigentlich mit der Idee sympathisierst, also die DDR als Verräter an der Idee siehst.
Hallo Robin,

ja, das siehst du ganz richtig!
Ich ärgere mich über die verpatzte Chance, aus der kommunistischen Idee etwas Funktionierendes zu machen.
Unser System der freien Marktwirtschaft, die ungehindert und ohne Rücksicht auf menschliche Verluste überall auf der Welt abgrast, wird uns das Genick brechen.
Aber die Menschen lassen sich ja so gern betrügen, fallen auf Wahlversprechen herein und wählen die, die von der Großindustrie gekauft werden und die sich einen Dreck um sie kümmern.
Wo sind die integren Politiker, die das Wohl aller und nicht nur ihre armseligen persönlichen Pfründe im Sinn haben?
Am meisten haben mich aber die Grünen enttäuscht, an die habe ich wirklich mal geglaubt!

Fortuna

p.s. ehem, nimm aus "Offenbahrung" bitte bitte das "h" weg, auf der Bahre liege ich nämlich noch nicht :zunge3:
 
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Fortuna schrieb:
Unser System der freien Marktwirtschaft, die ungehindert und ohne Rücksicht auf menschliche Verluste überall auf der Welt abgrast, wird uns das Genick brechen
Fortuna, nenne mir bitte ein einziges Beispiel eines freien Marktes. Derzeit werden Märkte allerorten durch Verbände und Kartelle der Produzierenden gelenkt, europäische Politik beschränkt sich, wo nicht auf Teilhabe am Verband, auf Richtlinien, die meist die Marktkonzentration einzelner Monopole befördern.

"Integer" wäre Dir zufolge der Politiker, der diese Monopole in den Staat integriert und den Bürgern - ob produktiv oder arbeitslos - eine Art Rente auszahlt.

Habe ich das falsch verstanden?
 
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