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Krankmacher Milch

Es mag sein, dass Waldveilchen etwas anderes gemeint hat, aber da wir alle keine Gedanken lesen können, muss sie es dann konkretisieren.

Ja, und ich harre ihrer Antwort noch immer.

Als Koch und als jemand, der sich seit Jahrzehnten mit Warenkunde und Ernährungswissenschaften beschäftigt, stelle ich immer wieder fest, dass

- zum Thema Lebensmittel, Kochen und Ernährung ein jeder etwas zu sagen hat, ob dies nun Hand und Fuß hat, oder nicht.
- viele nicht einmal über das Basiswissen der Ernährungswissenschaft verfügen.
- meist ein Halbwissen, schlicht Falsches oder längst, teils seit Jahrzehnten widerlegte Außenseiter-Meinungen vertreten werden.
- mancher Unsinn derartig hartnäckig und verbreitet ist, dass er praktisch von jedem irgendwann hervorgeholt wird.
- die ganze Diskussion mehr emotional statt rational geführt wird und die Reaktionen, vor allem negative, dann auch emotional ausfallen.
- Menschen durchaus bereits sind, z.B. einen Handwerker als Experten zu akzeptieren, wenn sie Fragen zum Thema haben, der Koch aber besser den Mund halten soll.

Eine Situation im Übrigen, die ich höchst unbefriedigend finde.

Gerade bei dem Thema Milch wird viel Unsinn geredet. Und wenn man dann die Leute mal fragt: Was bedeuten denn die Begriffe, "pasteurisiert" und "homogenisiert", die man auf jeder Milchverpackung lesen kann?
Dann schaut man auf einmal in leere Gesichter.
Was reden denn dann die Leute über ein Lebensmittel, von dem die Leute im Grunde nur wissen, dass es aus der Kuh kommt - und haben nicht einmal den geringsten Schimmer, was die Begriffe bedeuten, die sie jeden Tag auf der Milchtüte vor den Augen haben?

Oja, ich kann dein Leid sehr gut nachempfinden. Laien haben diese Neigung bei allen Themen von denen sie meinen etwas zu verstehen, und das ist prinzipiell alles, mit dem sie zu tun oder zumindest öfters davon gehört haben. Sei es Ernähung (befasst sich ja jeder praktisch damit), Fussball, Politik oder sonstwas.
Sieht man hier zu diversen Themen wo User, bei denen man merkt, dass sie die einfachsten Dinge nicht verstehen, trotzdem auf ihrer "Meinung" unabrückbar beharren und sogar da und dort von Fachleuten belegt wissen wollen.


Ja, es gibt H-Milch. Diese wird ultrahocherhitzt.
Warum jemand H-Milch kauft, das habe ich allerdings noch nie verstanden. Weder ist sie günstiger (und wenn, dann nur unwesentlich), noch ist sie nach Anbruch länger haltbar (eher kürzer, oder sagen wir: empfindlicher). Man kann sie für bestimmte Aufgaben verwenden, zum Kochen, für den Kaffee, aber als "Glas kalte Milch" schmeckt sie nicht, mir jedenfalls nicht.
M.E. gibt es für H-Milch nur einen sinnvollen Einsatz: Zur Lagerung als "Notreserve", da man sie ungeöffnet nicht kühlen muss, für Kaffee, Pudding oder zum Kochen (Bechamelsauce). Damit man sie da hat, falls man Milch mal vergessen hat zu kaufen - und dann gerade Sonntag ist.

In allen anderen Anwendungen ist pasteurisierte Milch eindeutig überlegen. Wenn ich auf den Einkauf einen Einfluss habe, kaufe ich sogar in der Gastronomie mittlerweile Frischmilch, obwohl H-Milch in der Gastro eher üblich ist. Die H-Milch ist auch nicht billiger, die Ergebnisse sind mit Frischmilch besser und Lagerung & Logistik von Frischmilch ist auch kein Problem.
Warum sollte ich dann die blöde H-Milch einkaufen?

In Österreich zumindest gibt es immer wieder Angebote bezüglich H-Milch, die man im 12er Pack zu jeweils 0.59 €/l kriegt, da ist der Preisvorteil groß. Und wenn man nicht grade ein Milchgroßverbraucher ist, würden die 12 Liter teilweise verderben, wenn sie nur 1 Woche hielte.
Bei der H-Milch habe ich geschmacklich in den letzten Jahrzehnten deutliche Verbesserungen festgestellt und zumindest bei einigen Produkten keinen Geschmacksnachteil gegenüber lediglich pasteurisierter Milch festgestellt.
Aber, ich begrüße auch die neuerdings vermehrt angebotene Frischmilch und (lediglich) nicht homogenisierte Milch.
 
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Sieht man hier zu diversen Themen wo User, bei denen man merkt, dass sie die einfachsten Dinge nicht verstehen, trotzdem auf ihrer "Meinung" unabrückbar beharren und sogar da und dort von Fachleuten belegt wissen wollen.

Bei dem Thema Ernährung kommt hinzu, dass sich Menschen öffentlich zu Fachleuten erklären, die keine sind. Das war im Übrigen schon immer so, auch in den Frühzeiten der Ernährungswissenschaft. Wissenschaftlich ist das nicht. Vielmehr verfolgt jemand eine teils esoterische Philosophie, mit der Ernährung dann als Vehikel. Auch das gab es schon in der Antike.

Eine formelhafte Aussage, die man aus den verschiedensten Ecken kommend feststellen kann, lautet:

"Die XYZ-Ernährung ist die natürliche Ernährung des Menschen."

(und deshalb der alleinige Weg zu Gesundheit, spirituellem Wachstum, der Unsterblichkeit und ewiger Glückseligkeit).
Wobei "XYZ", je nach der persönlichen Philosophie, für alles Mögliche stehen kann.
Und dann nicken alle brav mit dem Köpfchen, denn "natürlich", dass ist ja immer ideal, und "Mensch" sind wir ja alle.
Denkt man aber nur ein wenig darüber nach, dann ist eine solche Aussage ... ein völliger Blödsinn.

Blödsinn vor allem deshalb, weil in dieser Aussage zwei Begriffe stehen, die wir als gegeben annehmen, die aber überhaupt nicht definiert werden und auch nicht hinterfragt. Nämlich die Begriffe "natürlich" und "Mensch".

Natürlich, das finden wir natürlich super. Mutter Natur kommt leicht, aber züchtig bekleidet heran getanzt und schenkt uns etwas aus ihrem Füllhorn ... nur sind in dem leider nur ein paar Wildkräuter, Nüsse und Beeren drin - wenn überhaupt.
Was ist denn natürlich, was bedeutet dieser Begriff?
Er kommt von Natur, bedeutet so viel wie "der Natur folgend" - wie ein Tier also? Denn das Tier lebt in der Natur und mit ihr.

So gesehen ist aber so gut wie kein Lebensmittel natürlich, und das nicht erst seit heute, sondern bereits seit über 1 Million Jahre, eher mehr.
Denn solange kochen Menschen Nahrung, mindestens - und kein Tier gart Nahrung.
Du isst Brot? Ja, wie unnatürlich! Korn wird angebaut, gemahlen, zu Teig verknetet, gegärt und anschließend gebacken. Was ist denn daran natürlich?
Unsere gesamte Nahrung kommt aus der Landwirtschaft - ist das natürlich? Gibt es in der Natur etwa Landwirtschaft?
Praktisch alle unsere Lebensmittel sind Zuchtsorten, und ihre wilden Pendants - sofern es sie überhaupt noch gibt - sind: Klein, hart, sauer, bitter, faserig - und wenig gehaltvoll. Und die meisten stammen auch noch aus anderen Teilen der Welt, sogar die Arten, die heute wild vorkommen und die wir als einheimisch ansehen (Haselnuss, Walnuss).

Überhaupt, leben wir denn ansonsten natürlich? Nein, denn dann könnten wir in diesem Teil der Welt gar nicht überleben. Ohne Kleidung. Ohne Häuser. Ohne Feuer. Ohne Jagd.
Warum also dieser ganze Zinnober um Natürlichkeit in der Ernährung?
Gerade die Tatsache, das wir nicht natürlich leben unterscheidet uns überhaupt erst vom Tier und macht uns überhaupt erst zum Menschen.

Womit wir bei dem zweiten Begriff wären, den es zu definieren gilt, dem des Menschen. Ist nur der Homo Sapiens einer? War der Homo Erectus auch schon ein Mensch? Der Neandertaler, mit dem sich der Homo Sapiens verpaarte (2-5% Neandertaler-Gene bei Europäern und Asiaten), war der auch ein Mensch?
Da kann es Unterschiede geben, denn die verschiedenen Spezies haben sich durchaus unterschiedlich ernährt.
Zu den frühesten Zeiten ist ein Hominide wohl mehr ein afrikanischer Früchtefresser gewesen - aber war der schon ein Mensch? Gejagt hat er wohl weniger, und wenn, dann jedenfalls ohne Waffen, und Feuer hat er auch noch keines verwendet ...
... also hat er nichts von dem gemacht, wie wir den Begriff Mensch überhaupt definieren: Waffen, Feuer, Jagd.

Fazit:
Entweder haben wir einen Hominiden, der natürlich lebt, aber der war noch kein Mensch. Oder wir haben einen Menschen, aber der lebt nicht mehr natürlich.
Ergo ist die ganze Aussage Bockmist, denn es werden zwei Begriffe miteinander in Beziehung gesetzt, die sich ausschließen.
 
Ja, kann ich nur beipflichten.
So natürlich wie der back-to-the roots-Urlaub im GoreTex-Zelt, das man im SUV zum Zeltplatz fährt.

Die Wissenschaft und Aufklärung gibt uns Wissen und Erkenntnis. Aber, die Menschen suchen auch Spiritualität, und da ist die Wissenschaft wenig dienlich. Desillusioniert sogar da und dort,
was die Menschen ggf sogar frustriert und sie eine wissenschaftsfeindliche Haltung einnehmen lässt.
Die klassischen Religionen haben ausgedient und sind auch so unflexibel, passen nicht in den Zeitgeist. Also erdenkt man sich Ersatzreligionen und versucht damit, die innere Leere zu füllen.
Falls nötig, auch gegen wissenschaftliche Erkenntnisse.

Sieht man immer und überall, "natürlich" auch hier im Forum.
 
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Schaff den Besitz der Reichen und Mächtigen ab,
schaff die zivilisierte Sesshaftigkeit ab,

und du hast wieder deine erträumte Cromagnon Beerenlese

 
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