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Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Raphael

Active Member
Registriert
17. November 2007
Beiträge
1.795
Liebe Leute!

Diese Frage stelle ich mir schon lange.
Wenn ich eine neue Klasse in Geschichte übernahm, war es mir ein Bedürfnis meinen Schülern in der allerersten Stunde zu erklären, ich würde ihnen nicht die Wahrheit erzählen können, sondern lediglich das, was ich dafür halte.

Ein Beispiel:
Die gemeinsame Geschichte zweier Nachbarstaaten, von Österreich und Ungarn, Frankreich und England, Russland und Polen usw.

Ich kenne österreichische Schulbücher sehr gut und ungarische gut, da ich von einem ungarischen Freund immer welche zugeschickt bekomme und ich sie auch lesen und verstehen kann.
Nun, dieselben geschichtlichen Tatbestände werden durchaus unterschiedlich aufgefasst und noch unterschiedlicher interpretiert.

Wo liegt die Wahrheit?

Da wurde mir bewusst, dass vor meinen Augen Ähnliches entsteht, nämlich Geschichte, und zwar in Form der Tagespolitik.
Die Träger der Politik, die politischen Parteien, bewerten ein und dasselbe Geschehen völlig unterschiedlich bis zum Streit.

Wo liegt die Wahrheit?

Fällt es mir in letzterem Falle noch leicht, mir "meine" Wahrheit herauszufinden, ist das bei der Bewertung von geschichtlichen Ereignissen wesentlich schwerer.

Ist eine länderübergreifende objektive Geschichtsschreibung möglich?
Wenn ja, wäre sie nicht in der EU anzustreben?!

Ich danke euch im Voraus für eure geschätzten Beiträge!

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
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AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Bevor Du Dir ein zu großes Echo auf dieses Thema erwartest, Raphael, vergewissere Dich, ob es dieses Thema nicht schon gibt; Du weißt Suchroutine/Startseite ..... Geschichtsschreibung eingeben. Ich glaube, dass ich es vor einem Jahr bereits gelesen habe.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Hallo Zeili!

Danke für den Hinweis!
Ich erwarte mir jedoch gar nichts.

Ich erlebe allerdings derzeit, welche Blüten eine rechtsgerichtete Geschichtsschreibung in Ungarn hervorzubringen vermag, nämlich in Bezug auf
die Herkunft der Magyaren, ihre Sprache usw.

Nur ein Pendelausschlag auf die rechte Seite, nachdem das Pendel 40 Jahre links angehalten wurde?!

Mit freundlichen Grüßen
Raphael

PS: Entweder bin ich blöd -- was leicht sein kann -- oder sehe ich wirklich nur eine Seite mit Geschichte-Themen?!
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Hallo Zeili!

Danke für den Hinweis!
Ich erwarte mir jedoch gar nichts.

Ich erlebe allerdings derzeit, welche Blüten eine rechtsgerichtete Geschichtsschreibung in Ungarn hervorzubringen vermag, nämlich in Bezug auf
die Herkunft der Magyaren, ihre Sprache usw.

Nur ein Pendelausschlag auf die rechte Seite, nachdem das Pendel 40 Jahre links angehalten wurde?!

Mit freundlichen Grüßen
Raphael

PS: Entweder bin ich blöd -- was leicht sein kann -- oder sehe ich wirklich nur eine Seite mit Geschichte-Themen?!
Den Geschichte-Themenkreis gibt es noch nicht lange; versuch' es in Politik, Philosophie, Religion etc.

zum Thema: Die objektive Wahrheit ist an sich eine sehr vage Sache, nicht nur in der Geschichtsschreibung. MMn gibt es nur eine - von der Politik objektivierte - Wahrheit, d.h. Auffassungen werden einfach zur Wahrheit erklärt.

Persönlich-individuelle Wahrnehmungen, die sich gleichen oder ähneln, ja, die gibt es.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Hallo Raphael,

ohne der Absicht dich bei diesem Thema zu bremsen: ich hatte in Nov. 2005 das gleiche Thema angeschnitten, hier der erste Beitrag dazu:

https://www.denkforum.at/forum/showpost.php?p=64383&postcount=1

Natürlich stellt sich die Frage ob man nach so langer Zeit nicht das Thema nochmals diskutieren könnte. Also mein Hinweis hat nicht die Absicht dich zu bremsen, sondern sollte dich nur informieren.

Es wurden seinerzeit dazu 27 Beiträge geschrieben.

Liebe Grüße

Miriam
 
AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Hallo Miriam!

Danke für den Hinweis!
Hätte ich das gewusst, wäre mein Thread unterblieben, da ich nur vom Bereich Geschichte ausgegangen bin.
Leider bin ich, obwohl ich recht oft vor dem Computer sitze, ziemlich unfähig was, die Handhabung anbelangt. Ich kann z.B. nicht mal Bilder ins Netz stellen.
Leider finde ich über deinen Link nur den Startartikel.


Grüße Raphael
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Hallo Raphael,

jetzt habe ich den Thread gefunden: im Unterforum "Politik allgemein" auf Seite 4, ganz unten.

Je mehr ich darüber nachdenke, sollst du dieses Thema erneut zur Diskussion stellen, es ist schon sehr lange her, dass das Thema besprochen wurde. Also vergiss einfach meinen Hinweis.

Werde mich wappnen um auch mitreden zu können. :schnl:

Gruß von Miriam
 
AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Hallo Miriam!

Danke! Werde es durchlesen.

Ich frage mich, ob eine Kommission der besten Geschichtler der EU eine gemeinsame Geschichte der EU-Staaten schreiben könnte, oder ob das schlichtweg unmöglich wäre.

Anderes Thema:

Nachdem ich etliche "moderne" Bücher über die Borgias gelesen hatte, im Wesentlichen Biographien über Rodrigo, Cesare und Lucretia Borgia und sich in auch mir die gängigen Werturteile über diese Renaissance -Charaktere verfestigt hatten, bekam ich vor kurzem das Buch von Orestes Ferrara "Alexander VI. Borgia", erschienen 1955, in die Hand.
Der Autor, ein kubanischer Geschichte-Professor mit italienischen Wurzeln,
zerpflückt in seinem hoch seriösen Buch die gängigen Vorurteile über die Borgias Schritt um Schritt, belegt, dass zeitgenössische Quellen entweder nichts über Taten aussagen, die den Borgias angelastet werden, oder von Feinden stammen, die ein massives Interesse am Rufmord hatten.
Hochinteressantes Buch!

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
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AW: Ist objektive Geschichtsschreibung möglich?

Ich glaube, es war Herodot. Der kam nach Ägypten, und die haben ihn gefragt, wer er ist. Er war natürlich fest davon überzeugt, dass er aus dem schönsten und besten Land der Welt mit der reichsten Geschichte überhaupt stammt.

Sie haben ihn dann nach seiner persönlichen Abstammung gefragt, und er hat 14 Vorfahren aufgezählt, und der erste von denen war ein Gott (in der mündlichen Überlieferung).

Die Ägypter haben ihn dann in einen Saal geführt, in dem waren 269 Statuen: der aktuelle Hohepriester und dann jeder seiner Vorgänger in der Erbfolge. Ägypten hatte damals schon eine uralte Geschichte, in Stein gehauen.

Ich will sagen: Geschichte ist immer meine Geschichte. Aber warum nicht?

Oder Albert Speer und seine Bücher. Er hat das 3. Reich (und vor allem seine eigene "Unschuld") penibel beschrieben. Aber es gibt auch Bücher über ihn und über seine Bücher (z.B. von Gitta Sereny: kann ich jedem nur empfehlen).

Geschichte ist, dass ich die Geschichte kennenlerne, und den, der sie erzählt.

Auch die Israeliten haben ihre Geschichte so geschrieben, dass die Genesis in direkter Linie zu ihnen führt. Und Champollion wollte die Schrift der Ägypter vor allem deshalb entziffern, weil er aus der Bibel wusste, dass sie bei der Entstehung der Erde dabei waren (!), und deshalb wollte er bei ihnen nachlesen, wie das wirklich war.

Und damals dachte man, die Erde sei rund 4000 Jahre alt. Und dann ist Champollion fast in Ohnmacht gefallen, als er in Ägypten die Geburtsdaten von Priestern fand, die älter waren als die Erde (!).

Wozu "Objektivität" in Geschichte, wenn es auch in allen anderen Wissensgebieten nötig ist, sich viele Quellen anzusehen und sich dadurch ein 3-dimensionales Bild zu machen?

Bring doch das deinen Schülern bei: selber denken!

lg Frankie
 
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