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Interpretation von Nietzsches "Von den Verächtern des Leibes"?

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hallo zusammen,
also ich glaub persönlich, dass er hierbei die Kirche gemeint hat.
Priester die ja zölibatär leben, folgen demnach instinktiv ihrem Selbst(dem Körper als großer Vernunft), der ihnen sagt dass sie untergehen sollen, weil Sie nicht mehr den Willen zum Schaffen haben. Im vorangegangen Kapitel "Von den Hinterweltlern" geht er ja auf dieses Nicht-Schaffen ein. In dem er von einem "Kopf in den Sand der himmlischen Dingen stecken " schreibt, und gleichzeitig eine Hinwendung zum eigenen Ich fordert, dass sich der Erde Sinn selber schafft.
 
Ich denke, der Kardinalfehler dabei ist jener, psysisches (Körper) und nichtphysisches (Geist, Seele) als reale, eigenständige Entitäten zu sehen und nicht als verschiedene Aspekte des Selben.
 
Was ich an der Stelle interessant finde, ist seine Unterscheidung von Selbst und Ich, welche jener von Es und Ich bei Freud ähnelt. Das Selbst hat hier die vorrangige Stellung, sie gibt den Impetus vor oder das Motiv, während das Ich nur die Aufgabe hat, die Tendenz des Selbst in eine Handlung, eine Reaktion, eine Haltung zu transformieren, nämlich jenes Ich, das wir persönlich erleben, welches aber nur epigonenhaft zur Schau trägt, was vielleicht längst entschieden ist. Auch das Über-Ich macht in Form des Übermenschen seinen Auftritt, allerdings möchte ja Nietzsche, dass wir dieses, anstatt es von unseren Sitten, Normen, Gebräuchen und Wertvorstellungen der anderen bloß zu übernehmen, dieses selbst gestalterisch erwirken, schöpferisch werden in dem Sinne, dass wir Erschaffer und Erlasser unserer eigenen Werte und Normen werden. Diese Werte und Normen sollen so gestaltet sein, dass sie das Aufkommen des Übermenschen begünstigen, einer Art Anti-Christ, der sich nicht von Außen durch seine Herde oder ein oktroyiertes Normensystem definiert, sondern seine Lebenskraft ganz von Innen bezieht und damit jenseits von Gut und Böse zu leben vermag und auch jenseits von zwischenmenschlicher Anerkennung oder jenseitiger Legitimierung. Weil in dieser Anthropologie eigentlich alles Mensch-Sein auf die Vorbereitung des Übermenschen ausgelegt ist, sind die Leib-Verächter jene, deren Selbst(e) den Tod sich eigentlich herbeiwünschen, die ihren eigenen Untergang wünschen, weil sie ahnen, dass sie für das Kommen des Übermenschen sonst im Grunde nichts tun können, als unterzugehen, welche ihren Selbst-Untergang aber sogleich hinauszögern, sei es aus Feigheit oder aus Ressentiments. Der Widerspruch scheint mir darin zu bestehen, dass Nietzsche die Verweigerung der Leibverächter, der Todessehnsucht ihrer Selbste nachzukommen, nicht erklären kann, ohne ein weiteres Selbst zu fingieren, das niederträchtig, gemein und herdenhaft funktioniert. Er tut das zwar an anderer Stelle, doch gehören die Leibverächter nicht zu derselben Kategorie wie die "Herdentiere", da sie an sich zwiegespaltener Natur sind: sie sind decadents und Erleuchtete zugleich. Als Erleuchtete hätten sie es vielleicht einst vermocht, über sich hinaus zu schaffen, doch sind sie zu Priestern, zu Repräsentanten, zu Herdenführern geworden, eben darin erwies sich, dass sie selbst von der Herde waren. Nun ist es zu spät für sie, noch irgendwie schöpferisch zu werden, ihre Selbste werden verneinend, sich selbst verneinend und wünschen ihren Untergang, doch ihr Ich, ihr Rang, ihre Position verweigert ihnen den Abtritt. Nietzsche hat sich selbst als eine solche zwiegespaltene Natur verstanden, einige Stellen weisen darauf hin, doch haben in ihm letztlich die vornehmeren, die "besseren" Instinkte den Sieg über den decadent davon getragen. So viel zum Weltbild Nietzsches. Es verneint Willensfreiheit, ethische Entscheidungen und verbindet alles mit einer menschenverachtenden Philosophie, welche das Gros der Menschheit eben den Herdeninstinkten zuschreibt, eine Minderheit der Priesterklasse von Leibverächtern und einer noch minderen Minderheit die Berufung, allen die es wert sind als Sterne für das Kommen des Übermenschen zu leuchten und diese zu erleuchten. Es ist folglich auch eine anti-demokratische, monarchistische Philosophie, die zwangsweise dort faschistoide Züge annehmen muss, wo versucht wird, sie praktisch umzusetzen, was aber gar nicht in Nietzsches Absicht gelegen haben mag, da er den Staat als solchen als ein Lügenkonstrukt ablehnte. Es ist vielmehr eine individualistische, an Künstler gerichtete Philosophie, die dem an praktischen Lebensfragen interessierten Leser nicht viel zu bieten hat, weil wie gesagt ethische Entscheidungen aus der Sicht Nietzsches überhaupt keine Relevanz haben. Nietzsches Philosophie beschreibt die Leidenschaftlichkeit des Denkens durch und im Denken selbst, aber vermag es nicht darüber hinaus zu gehen, sie ist psychologische Kritik des Menschen ohne Therapie, Vision des vollendeten Individuums in einer Welt voller geteilten Ohren, Augen, Nasen und Zungen, aber sie gibt uns auch die Instrumente in die Hand, wie wir Ideologien entlarven können (nämlich mit dem Hammer, der nicht zerschlägt, sondern die hohlen Inhalte derselben entlarvt, indem er sie "abhämmert"). Vielleicht war Nietzsche gerade darum letztlich doch ein Philantrop, weil er - ungleich einem Cioran - sich nicht damit begnügte, alles für eitel und vergänglich zu halten, sondern lediglich für verächtlich, menschlich-allzumenschlich und war hirngerissen genug, Alternativen aufzuzeigen, von denen wir Gebrauch machen können - oder auch nicht. Eben darin erweist sich dann doch seine ethische Kraft, weil er uns vor die Entscheidung stellt, entweder Überkommenes einfach so hinzunehmen oder eigene Wege und Ziele zu finden, eine "Lebenskunst" zu entwickeln, die das Leben wenn nicht moralisch für alle anderen, so doch wenigstens für uns ästhetisch rechtfertigt. Doch Stellen wie besagte, die vom Selbst und Ich so reden, als wenn die Kausalkette eine einspurige wäre, stammen wohl doch wieder eher vom fatalistischen Nietzsche.
 
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.....Sinnerfassend zu lesen scheint nicht Ihre "stärke" zu sein! Oder wie soll Ich Ihre"Antwort" auf die gestellten "Fragen" werten??....

fragt erneut plotin

Werte wie du willst...:D ich will aber Neues schaffen, aus der reinen Logik heraus, ohne Herrscher, sondern eher 'das Ding' beherrschen! -und Ihr?!

 
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