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Friedrich Nietzsche

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Sieg der Demokratie.— Es versuchen jetzt alle politischen Mächte, die Angst vor dem Sozialismus auszubeuten, um sich zu stärken. Aber auf die Dauer hat doch allein die Demokratie den Vorteil davon: denn alle Parteien sind jetzt genötigt, dem "Volke" zu schmeicheln und ihm Erleichterungen und Freiheiten aller Art zu geben, wodurch es endlich omnipotent wird. Das Volk ist vom Sozialismus, als einer Lehre von der Veränderung des Eigentumerwerbes, am entferntesten: und wenn es erst einmal die Steuerschraube in den Händen hat, durch die grossen Majoritäten seiner Parlamente, dann wird es mit der Progressivsteuer dem Kapitalisten-, Kaufmanns- und Börsenfürstentum an den Leib gehen und in der Tat langsam einen Mittelstand schaffen, der den Sozialismus wie eine überstandene Krankheit vergessen darf.- Das praktische Ergebnis dieser um sich greifenden Demokratisierung wird zunächst ein europäischer Völkerbund sein, in welchem jedes einzelne Volk, nach geographischen Zweckmässigkeiten abgegrenzt, die Stellung eines Kantons und dessen Sonderrechte innehat: mit den historischen Erinnerungen der bisherigen Völker wird dabei wenig noch gerechnet werden, weil der pietätvolle Sinn für dieselben unter der neuerungssüchtigen und versuchslüsternen Herrschaft des demokratischen Prinzips allmählich von Grund aus entwurzelt wird. Die Korrekturen der Grenzen, welche dabei sich nötig zeigen, werden so ausgeführt, dass sie dem Nutzen der grossen Kantone und zugleich dem des Gesamtverbandes dienen, nicht aber dem Gedächtnisse irgend welcher vergrauten Vergangenheit. Die Gesichtspunkte für diese Korrekturen zu finden wird die Aufgabe der zukünftigen Diplomaten sein, die zugleich Kulturforscher, Landwirte, Verkehrskenner sein müssen und keine Heere, sondern Gründe und Nützlichkeiten hinter sich haben. Dann erst ist die äussere Politik mit der inneren unzertrennbar verknüpft: während jetzt immer noch die letztere ihrer stolzen Gebieterin nachläuft und im erbärmlichen Körbchen die Stoppelähren sammelt, die bei der Ernte der ersteren übrig bleiben.
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Ziel und Mittel der Demokratie.— Die Demokratie will möglichst vielen Unabhängigkeit schaffen und verbürgen, Unabhängigkeit der Meinungen, der Lebensart und des Erwerbs. Dazu hat sie nötig, sowohl den Besitzlosen als den eigentlich Reichen das politische Stimmrecht abzusprechen: als den zwei unerlaubten Menschenklassen, an deren Beseitigung sie stetig arbeiten muss, weil diese ihre Aufgabe immer wieder in Frage stellen. Ebenso muss sie alles verhindern, was auf die Organisation von Parteien abzuzielen scheint. Denn die drei grossen Feinde der Unabhängigkeit in jenem dreifachen Sinne sind die Habenichtse, die Reichen und die Parteien.— Ich rede von der Demokratie als von etwas Kommendem. Das, was schon jetzt so heisst, unterscheidet sich von den älteren Regierungsformen allein dadurch, dass es mit neuen Pferden fährt: die Strassen sind noch die alten, und die Räder sind auch noch die alten.— Ist die Gefahr bei diesen Fuhrwerken des Völkerwohls wirklich geringer geworden?

Die Demokratie arbeitet an der Vernichtung der Kultur und höherer Stände, denn ohne sie gibt es keine Kultur mehr und auch keine Kulturunterschiede. Demokratie ist Nihilismus - Vernichtung der Werte, Moral, Unterschiede, Rassen, Nationen, ... bis nicht jeder gegenüber dem anderen so gleichgültig vorkommt wie ein Stein.
 
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