• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Entzug der Erziehung?

R

Robin

Guest
Wir alle wollen nur das Beste für die Kleinen.
Wir wollen, dass sie unsere Fehler nicht wiederholen.

Wenn wir nun aber gar nicht an sie rankommen?

In letzter Zeit kursieren Thesen, dass die so genannte peer group, also die Gruppe der Gleichaltrigen, sogar mehr Einfluss auf die Erziehung hat als die Eltern (neben den Genen, die bis zu 50% ausmachen sollen).
Was ist von diesen Thesen zu halten? Und wenn etwas dran ist, wie sich verhalten?
Sich zurückziehen?
Versuchen, die Kleinen vom schlechten Einfluss fernzuhalten?
Resignieren?
"Nur" gute Freunde für die kids sein?

Fragt ein "Ersatzpapa"! ;)
 
Werbung:
Original geschrieben von Robin
Wir alle wollen nur das Beste für die Kleinen.
Wir wollen, dass sie unsere Fehler nicht wiederholen.

Vielleicht wird mein Sohn einen Teil meiner Fehler wiederholen, vielleicht auch nicht. Es werden aber auf jeden Fall seine eigenen Fehler sein und sie werden mir weh tun, weil ich mitfühlen werde - die Erkenntnis, daß diese Fehler für alle Menschen notwendig sind wird mich ein wenig trösten.


Wenn wir nun aber gar nicht an sie rankommen?

In letzter Zeit kursieren Thesen, dass die so genannte peer group, also die Gruppe der Gleichaltrigen, sogar mehr Einfluss auf die Erziehung hat als die Eltern

Daran glaube ich nicht. Die Gleichaltrigen haben schon einen Einfluss, aber vorher haben sie schon jahrelang mit den Eltern (bzw. immer weniger häufig mit den Geschwistern) gelernt, wie miteinander und mit Problemen umgegangen wird.

Das ist für mich der Grundstock, auf dem das ganze spätere Leben aufbaut.

Es glaube bitte keiner, ich würde an Unsinn wie Vorherbestimmung glauben oder dass man sich nicht frei machen kann von den negativen Seiten seiner Erziehung. Trotzdem prägen uns diese Jahre und vor allem anderen die Eltern.

Und wenn etwas dran ist, wie sich verhalten?
Sich zurückziehen?

Zurückziehen? Die ersten Jahre mit den Kindern sind ein so großes Geschenk der Kinder an die Eltern, wie könnte man etwas derartiges zurückweisen und nicht versuchen, so viel wie möglich zurück zu geben?

Versuchen, die Kleinen vom schlechten Einfluss fernzuhalten?

Zum scheitern verurteilt - niemand ist auf Dauer vor der angeblich so schlechten Welt beschützbar. Wenn der kleine Mensch Liebe erhält und sieht, dass man den Stürmen des Lebens trotzen und dennoch menschenfreundlich bleiben kann ist das einzige schon getan, was Eltern wirklich tun können.


Warum?

"Nur" gute Freunde für die kids sein?

Und sich davonstehlen aus der Verantwortung?
 
Ich bin mit Walter einverstanden. Eigentlich mache ich mir da nicht so viel Sorgen (ganz nach dem Motto: Sorgen hat man nicht, wenn man sie sich nicht vorher gemacht hat!). Ich sorgte mich fast 8 Monate lang beinahe ununterbrochen und danach noch ein paar Wochen lang, das genügt fürs Erste.

Gar nicht rankommen tut man nur an autistische Kinder - mit viel Geduld und Ausdauer erzielt man aber auch bei ihnen sichtbare Erfolge.
Sonst bleibt aus der Erziehung immer was "hängen". "Unbeschadet" kommt keiner davon - bin ich nicht das beste Beispiel? Primär will ich gar nicht, dass sie meine Fehler nicht machen, sondern, dass ich die Fehler meiner Mama nicht wiederhole, es genügt, wenn ich meine eigene mache, was sich kaum vermeiden lässt (zum Glück gibt es noch den Papa, der es richten kann :D ). Und so wird es auch den Kindern ergehen. Sie werden ihre Fehler machen, nicht meine. Dafür möchte ich ein Vertrauensverhältnis schaffen, damit sie auch bei Fehlern eine 100-pro-sichere Anlaufstation haben und auch wissen, dass wir ihnen beistehen werden, egal, was passiert. Die Basis finde ich am wichtigsten, denn beeinflusst werden sie von allem, was um sie herum passiert. Davor bewahren und fernhalten kann/soll man sie nicht, sonst werden sie nie selbständig. Aber DIE Bezugsperson möchte ich bleiben und ein freundschaftliches Verhältnis schaffen. Aber eine Freundin der Kinder könnte ich höchstens werden, wenn sie erwachsen sind, denn Freunde sind 'Kumpel', die im Normalfall keine Vorbildfunktion übernehmen sollen oder abgeben müssen. Freunde sind doch dem Alter entsprechend Gleichgesinnte, das kann ich nicht und will ich nicht, ich habe meine Freunde, sie sollen ihre haben. Aus aktueller Sicht: Ich bin ehrlich, Sandkuchen backen, macht mir nur beschränkt Spass und bin froh, wenn sie da nach ein paar Minuten Gleichgesinnte und Gleichaltrige gefunden haben, die sich das stundenlang freiwillig antun und ich mich mit einem Buch in die "miteinemAugedrauf"-Position zurückziehen kann. Ich bin keine Super-Mama, von denen es überall nur so wimmelt, aber eins weiss ich mit Sicherheit, wenn ich sie jetzt nicht auch allein spielen lasse (durchaus dankbar für jede Minute), werden sie sich nie allein beschäftigen können und ich lande in der Psychi. Ich bin da, ich schmuse, turne, tröste, spiele Kasperletheater und was es alles sonst so gibt, rede, pflege, füttere, herumtolle, "schimpfe", aber ich gebe sie auch absolut ohne schlechtes Gewissen ab, um nicht für die nächsten 16 1/2 Jahre als "nur"-Mama zu enden. Zwillinge zu haben, ist auch ein Privileg, sie haben sich, sie sind sich jetzt schon Freunde und "unzertrennlich" und dadurch sind sie auch extrem "pflegeleicht" und zufrieden, wenn auch die "Ideen" im Doppelpack manchmal ganz schön an die Substanz gehen. Sieht dann ungefähr so aus:


:schaukel: :zunge4: :trommel: :fechten:

aber es macht riesen Spass und Freude... ausser, wenn sie Regenwürmer essen wollen, das ist die Hölle!!!

:clown3:
 
Original geschrieben von Céline
... ausser, wenn sie Regenwürmer essen wollen, das ist die Hölle!!!


Aber warum denn nur? "Regenwürmer können nicht beißen, weil sie vorne und hinten nur Schwanz haben" (ist mir gerade in meine Mailbox getrudelt)

@Robin: ernsthafte Antwort kommt später, im Moment nur soviel: alle Jahre wieder 'ne neue Erziehungsthese - und wie die meisten wird ein Körnchen Wahrheit enthalten. Mehr aber auch nicht ;)

LG, wirrlicht
 
Hallo zusammen,

tatsächlich haben die sog. "peer groups" einen sehr hohen Einfluss auf die Heranwachsenden. Allerdings ist dieses stark bedingt von dem Alter des Kindes, gerade in den ersten Jahren ist der Einfluss der Eltern extrem wichtig und entscheidet maßgeblich über den weiteren Verlauf der Entwicklung.

Später nimmt der Einfluss der Eltern in dieser Hinsicht ab, dennoch bin ich der Auffassung, dass auch die Wahl der Altersgenossen stark abhängig von der frühkindlichen Prägung und - natürlich - dem soz. Umfeld ist.
Ich bin fest davon überzeugt, dass bei einer sorgsamen und liebevollen Erziehung in den frühen Jahren die spätere Relevanz der Altersgenossen dahingehend eingeschränkt wird, dass sowohl Auswahl als auch Intensität der Beeinflussung durch die Altersgenossen in einem "positiven" Sinne entschieden werden.

Die Untersuchungen, die den Eltern quasi Machtlosigkeit bescheinigen, vernachlässigen nach meiner Erfahrung oft den Zusammenhang der jeweiligen "Prägungsmomente". Diese sind nicht als unabhängige Extremphasen der Sozialisation aufzufassen, sondern als stringente und erforderliche Entwicklung im gesellschaftlichen Sinne.
Ich sehe hier also durchaus keinen Widerspruch oder gar eine Gefahr.

Wollten wir das Thema wirklich ausreichend behandeln, wäre sicher auch das allgemeine soziale Umfeld zu erwähnen, d.h. z.B. Herkunft und Lebensstandard der Eltern, Erziehung, Förderung etc.... ich denke, dass das recht "naheliegend" ist und will das hier nicht weiter breittreten ;)

--

Den Verweis auf autistische Kinder, céline, verstehe ich jetzt nicht ganz, zumal du ihn ja im selben Satz wieder relativierst. Bzgl. des Umganges mit geistig behinderten Kindern habe ich die Feststellung gemacht, dass man ihnen am besten gerecht wird, indem man sie einfach als Menschen begreift und ihren individuellen Bedürfnissen gerecht wird, wobei die medizinischen und heilpädagogischen Erkenntnisse Hilfestellung bieten.

Ich erwähne dies nur, weil dein Verweis auf Autismus mich doch sehr verwundert... wie du selbst feststellst, ist prägen - fördern - fordern auch dann möglich (ich habe "rankommen" 'mal etwas frei interpretiert) ;)

Grüße,

cf
 
@ Cœur Froid

...ja, und ich habe das "Rankommen" sehr streng genommen ;), weil die Prägung und Förderung auch mit heilpädagogischen Massnahmen, Verhaltenstherapie usw. doch sehr sehr eingeschränkt ist. Autismus kann eine geistige Behinderung bedeuten, d.h. Intelligenzdefekt, muss aber nicht. Primär ist es eine Kontaktstörung, ein Rückzug in eine eigene "Welt" mit Isolation von der Umwelt. Es gibt verschiedene Typen des Autismus, aber allen ist das "schwer Rankommen" gemeinsam - darum kam mir der Gedanke, als ich Robins Formulierung las.

Allen einen schönen Abend
 
Hallo und danke für die Antworten.

Vielleicht ist dies wieder so eine amerikanische Krankheit, die zu uns rüberschwappt? In "Die Korrekturen" von J. Franzen gibt es eine Mutter, die eine solche Theorie zum Anlass nimmt, ihren Kindern fast alles durchgehen zu lassen. Die Autorin eines Buches, auf die sich diese Mutter bezieht (ich nehme an, sie gibt es wirklich), vertritt die Theorie, dass Kinder den größten Schaden nehmen, wenn man sie ANDERS erzieht, als sie durch ihre peer group werden würden. Der größte Schaden entsteht den Kindern demnach durch Liebesentzug durch die peer group - und nicht durch eine gestörte Eltern-Kind -Beziehung.

Nach Deutschland kam dieses Thema dann durch einen spiegel-Artikel vor ein-zwei Jahren. Natürlich ist dem zu misstrauen, denn der Spiegel leitet ganz gerne mal Kulturrevolutionen ein, und natürich kommen Theorien und gehen.

Aber ich werde mal ein Beispiel nehmen, damit dies ein "Praxis"-Thread wird ;)
Mein Ersatzsohn entwickelte plötzlich ein Faible für diese Jo-ko-on-Karten (keine Ahnung wie das geschrieben wird). In unserer Erziehung hat in sicher nichts dazu animiert, diese martialische und relativ sinnfreie Mode toll zu finden.
Ich bemerke allerdings, was ihn daran fasziniert (neben der Tatsache, dass die peer group auch welche hat). Nämlich das Schema, das eine Karte mehr "Macht" besitzt als eine andere. Die Karten sind symbolisch mit Macht aufgeladen und damit faszinierend.
Auf der anderen Seite sind sie unnützer, manipulativer Tand.

Streiten tun wir uns deswegen nicht mit ihm, das gleich vorweg.
Also: Was würdet ihr tun?

Der Hinweis auf autistische Kinder von Celine ist durchaus interessant, weil man sie mit anderen behinderten Kindern nicht vergleichen kann. Eine Freundin von uns ist Spezialstin für Autismus und daher habe ich mich sogar theoretisch damit auseinandergesetzt. Die Therapieformen sind nicht zu vergleichen mit anderen geistig Behinderten - und sie treiben obskure Blüten. Erinnert sich noch jemand an Birger Sellin? Aber das ist ein anderes Thema...
 
Original geschrieben von Céline
@ Cœur Froid

...ja, und ich habe das "Rankommen" sehr streng genommen ;), weil die Prägung und Förderung auch mit heilpädagogischen Massnahmen, Verhaltenstherapie usw. doch sehr sehr eingeschränkt ist. Autismus kann eine geistige Behinderung bedeuten, d.h. Intelligenzdefekt, muss aber nicht. Primär ist es eine Kontaktstörung, ein Rückzug in eine eigene "Welt" mit Isolation von der Umwelt. Es gibt verschiedene Typen des Autismus, aber allen ist das "schwer Rankommen" gemeinsam - darum kam mir der Gedanke, als ich Robins Formulierung las.

Allen einen schönen Abend

Hi Céline,

danke für deine Ausführungen, ich bin mit Autismus hinlänglich vertraut ;) Gerade darum meinte ich auch, dass die Heilpädagogik eben "nur" Hilfsmittel ist, aber auf keinen Fall eine grundsätzliche individuelle Beträuung ersetzt, die aber auch jedes "gesunde" Kind benötigt.
Und da eben auch Autisten nicht wirklich völlig abgeschottet leben, sondern auch gefördert und gefordert werden können, unterscheidet sich nicht etwas die Art des Kontaktes mit Autisten prinzipiell von dem mit einem "Durchschnittskind", sondern vor allem die Intensität.

Es geht mir - um es auf den Punkt zu bringen - darum, dass ich die Autisten, mit denen ich umging, ebenso intuitiv und "normal" behandeln konnte, wie jedes andere "Kind" auch.

Aber offensichtlich war ja wirklich nur der Begriff "'rankommen" Anlass für deinen Exkurs, so dass ich hier wahrscheinlich einen völlig unstrittigen Punkt behandel ;)

Schönen Gruß,

cf
 
Werbung:
Salut Robin,

da habe ich mit meiner "Intensitätstheorie" ja einen krassen Widerspruch zu deiner Betrachtung autistischer Veranlagungen aufgestellt ;) Hier sei nur kurz erwähnt, dass ich in meiner Zivildienst und anschließenden Praktikumszeit die Auffassung entwickelt habe, dass man behinderte Menschen weder behandeln noch "anders" behandeln kann, wir sprechen ja nicht von Krankheiten... das alles schließt natürlich spezielle "Therapien" nicht aus.

Was die von dir angesprochene Sammelleidenschaft angeht, so sehe ich darin ein typisches Beispiel für die "Professionalisierung der Erziehung", wie - wenn ich mich recht erinnere - Postman sie beschrieben hat:

Das Sammeln von Karten ist doch in keiner Weise betrüblich oder gar bedenklich, nur weil es sich um ein Konsumprodukt handelt. Soetwas gab es m.E. schon immer, ob man vor 20 Jahren Fussballkarten oder noch früher Puppen bzw. Spielzeugautos o.ä.
gesammelt und getauscht hat. Besonders interessant finde ich deine Interpretation bzgl. dieser "mächstigsten" Karte... auch dies ist völlig normal, schon bei meinen Uralten Quartettkartenspielen gab es immer ein schnellstes Auto... was soll das schon bedeuten?

Um das ganz deutlich zu sagen: Ich lehne die Kommerzialisierung auf diesem Bereich ebenso ab, wie du es anklingen lässt, weiterhin fände auch ich es sicher enttäuschend, wenn mein Kind sich so GEEGN meine Erziehung prägen ließe.
Dennoch sehe ich darin einen völlig normalen Vorgang, es ist lediglich eine veränderte Intensivität dieser "Trendprodukte" zu beobachten, die ich vor allem den Medien anlaste.

Alles weitere ist - wie ich schon sagte - nicht etwas "unerwünscht", sondern ein völlig normaler und wichtiger Vorgang der Sozialisation: Abkoppelung v. den Eltern, Orientierung in und an der Gesellschaft.

Das natürlich alles aber bitte nur in Grenzen ;)

Gruß,

cf

P.S.

Netter Verweis auf den Spiegel *freu*

P.P.S
Da ich selbst keine Kinder habe und erziehe kann ich das Alter natürlich schlecht einschätzen, 6 scheint mir aber doch erschreckend früh... ich dachte immer eher so an das Alter ab 10

Darf ich fragen, ob "ihr" irgendwelche Restriktionen hinsichtlich des Medienkonsumes etabliert habt?
 
Zurück
Oben