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Die Wasser Babylons

Stephanos

New Member
Registriert
28. April 2003
Beiträge
17
Eine der schönsten Metaphern - An den Wassern Babylons...

Paul Celan:
AN DEN WASSERN BABELS

Wieder an dunkelnden Teichen
murmelst du, Weide, gram.
Weh oder wundersam:
Keinem zu gleichen?

Den deine Kralle zaust,
sucht sich in Sünden.
Wendet sich von deinem Zünden,
Flammende Faust.

Kehr du mit grausem Getös
ein in kauernde Hütten.
Komm unser Blut verschütten.
Den Lehm erlös ...
(Aus: Die Gedichte. Hrsg. v. B. Wiedemann. 2003. S. 400f. - Das Gedicht ist vor 1947 geschrieben, es stammt noch aus der Bukowiner Zeit Celans.)

Psalm 137:

"An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. Denn die uns gefangenhielten, hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein: «Singet uns ein Lied von Zion!» Wie könnten wir des HERRN Lied singen in fremdem Lande? Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein. "

Das Verlangen nach Rückkehr in die Heimat ergriff zum ersten Mal Juden, die vor 2500 Jahren ins Exil nach Babylon verschleppt worden waren - eine Hoffnung, die schließlich Realität wurde. ("An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten"...)
Demnach hat der sich erstmals im 19. Jahrhundert artikulierende, politische Zionismus weder das Konzept an sich noch die Praxis der Rückkehr nach Zion erfunden. Vielmehr übernahm er eine alte Idee und eine durch die Jahrhunderte kontinuierlich verlaufende aktive Bewegung auf und paßte sie den Bedürfnissen und dem Geist seiner Zeit an.
Die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel (14. Mai 1948) formuliert die Quintessenz der zionistischen Idee mit den Worten:
"Im Lande Israel entstand das jüdische Volk. Hier prägte sich sein geistiges, religiöses und politisches Wesen. Hier lebte es in einem freien und unabhängigen Staat. Hier schuf es eine nationale und universelle Kultur und schenkte der Welt das Ewige Buch der Bücher."
*
Celan hat diese Metapher für sich - für die Juden aus der Bukowina - sehr drastisch, sehr melancholisch, desillusionierend genutzt - sprachlich zu Ende geführt. Sprach er nur von der eigenen Not, seiner psychischen Gefährdung, die er sehr früh gesehen hat?
Aber hat nicht gerade auch seine Werk - als Beitrag zur Shoah die religiösen Schichten und Kasten und Schranken und Separationsmechanismen - die eigene Absolutsetzung der eigenen religiösen Gewohnheit - auf der ganzen Welt aufgesprengt?
Heute kann niemand die Theodizee-Frage (Warum ließ Gott die tausendfachen Mördereien "seiner" Christen - zuletzt (?) den Holocaust zu?) stellen, ohne zuzugeben, dass dieser "weiße, römische Gott" (in seiner theol. wirtschaftl. und techn. Dreifaltigkeit - ohne mütterliche Dimension) ein Zerrbild von Frieden und Freiheit ist.
Das Unglück, die versuchte Vernichtung der Juden - von Antisemiten, hauptsächlich kulturell und christlich gestimmten Deutschen, initiiert - war eine neue Dimension der Verständigung der Völker. (Daran darf die mörderische Dummheit des 11. Sept. und seiner US-Waffenbrüderschaften nichts ändern.)
Ob Celan das heute auch so sehen könnte?
*
"By the Rivers of Babylon" ist die wohl populärste Psalmvertonung des 20. Jahrhunderts.
Kennt jemand noch andere Texte zu diesem Thema (von den "beweinten, tränenvollen" Wassern Babylons) oder Spirituals zu diesem Thema, zu diesem Psalm?
 
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Psalm 137:

"An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. Denn die uns gefangenhielten, hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein: «Singet uns ein Lied von Zion!» Wie könnten wir des HERRN Lied singen in fremdem Lande? Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.


Hallo, Stephanos!


Erst mal sei in diesem Forum begrüßt!

Deine überaus bildenden Beiträge werden ja - so hoffe ich - auch in Zukunft unser Forum bereichern.


zum Text:



Psalm 137:

"An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. Denn die uns gefangenhielten, hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein: «Singet uns ein Lied von Zion!» Wie könnten wir des HERRN Lied singen in fremdem Lande? Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein."



Wie sehr viele Psalmen ist auch dieser - mEs. - parabelhaft zu verstehen für jede Art von Heimweh und für jede Strafandrohung, die "dem Entfernen von den Wurzeln" folgt.

Celan überträgt diese Parabel, die er als Mensch mosaischen Glaubens ja bewusster erlebte als wir, auf die aktuelle Situation in Hitlerdeutschland. Ich erinnere an das mich noch viel beeindruckendere Gedicht "Todesfuge" von ihm, in dem er das auch tut.


Nur, lieber Stephanos, es ist zu eng gefasst, wenn man es nur auf die Asylierung und Vernichtung der Juden im 3. Reich anwendet. Im Psalm nimmt der Psalmist sicher nur das babylonische Exil zum Anlass einen Text zu verfassen, der die Juden daran erinnern soll,"Jerusalem nicht zu lassen", am Monotheismus festzuhalten.

Auch Celan hat - das ist meine feste Überzeugung - nicht nur die Anprangerung im Sinne gehabt.

"Wieder an dunkelnden Teichen " Hier deutet er die geschichtliche Wiederholung des Geschehens an.


"Den Lehm erlös ..."


Hier deutet er mEs. auch eine Ursache der Trauer und Vernichtung an. Wie heißt es im mosaischen Glauben "Aus Staub bist Du und zu Staub sollst du wieder werden".

Anfangs des 20. Jahthunderts waren viele, v.a. gebildete Juden auf dem Wege in die Assimilierung. Sie entfernten sich von ihren religiösen Ursprüngen.

Die Methapher "erlöster Lehm" deute ich in diese Richtung. Begründung: 1. Der Anklang an den berühmten Psalm ist schon mit dem Titel gegeben.2. Die Warnung, Jerusalem nicht zu vergessen, steht in ihm genau so am Schluss wie diese Methapher in Celans Gedicht.

Und meine ganz persönliche Rezeption beider Texte:

Erst wenn der Mensch seine Wurzeln verloren hat, ist er ganz verloren. (Existenzielle Deutung)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
hallo stephanos

im Zweiten Weltkrieg sind viele Menschen umgekommen
besonders scheußlich waren dabei die Konzentrationslager

der Zweite Weltkrieg ist glücklicherweise seit 1945 vorbei
alle haben geschluckt, daß es auf ihrer Seite Opfer gab
die Deutschen und Österreicher haben geschluckt,
daß sie zurecht verloren haben

deshalb versteh ich nicht,
was Dein Beitrag soll

war das ein Angriff auf die Technokratie?
war das ein Angriff auf scheinheilige Christen?
war das ein Angriff auf/eine Verteidigung für diejenigen Juden, die den 2. WK noch nicht geschluckt haben?
war das ein historischer Beitrag, daß eine neue Zeit der Vökerverständigung gekommen ist bzw. kommen muss?
war das ein künstlerischer Beitrag zu einem mythologischen Thema?
 
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