• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Die Babymacher

Timirjasevez

New Member
Registriert
14. Oktober 2010
Beiträge
2.060
Ein kurzer Gedankenaustausch an anderer Stelle zum Thema "Nobelpreise" im Spannungsfeld von Gemeinwohl und Nutzen kam mir gestern wieder in den Sinn, als ich das Dossier "Ich will wissen, wer er ist" in der ZEIT Nr. 42 vom 14. 10. 2010, S. 17 ff. las.
Gewidmet war es dem individuellen Schicksal eines "Eiskindes", "Retortenbabys" (wie auch immer genannt), von denen es nunmehr 200.000 in Deutschland geben soll, infolge der nützlichen Erfindungen des Reproduktionsmediziners Robert Edwards, der dieses Jahr - heftig umstritten - dafür den Nobelpreis für Medizin verliehen bekam. Angeblich wissen nur 5.000 Betroffene, dass sie in vitro gezeugt wurden.
Die Babymacher selbst hat das Verfahren sehr vermögend werden lassen. Der Schritt zum Designerbaby scheint nah.
Nutzen oder Gemeinwohl? Oder gar beides - wissenschaftlich gesehen:cool:?
 
Werbung:
AW: Die Babymacher

Hier melde ich mich erstmals zu Wort. Und zwar als Mensch, der mit der obigen Thematik beruflich zu tun hat.
Vor etwa 15 Jahren wurde der Begriff der "primären oder sekundären Sterilität" durch den Begriff "unerfüllter Kinderwunsch" ersetzt.
Das hatte für die neue Kategorie der "Reproduktionsmediziner" den Vorteil, daß
nicht mehr eindeutige organische, hormonelle oder immunologische Störungen bei Mann oder Frau nachgewiesen werden mußten, um die superteure Kinderwunschbehandlung zu begründen und vollständig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt zu bekommen. Vor einigen Jahren ist eine Regelung getroffen worden, nach welcher jetzt nur noch die Hälfte der Behandlungskosten von den Kassen bezahlt werden. Deshalb versuchen die Reproduktionsmediziner an vielen Punkten gleichzeitig die "Unverzichtbarkeit" ihres Tuns zu erreichen. so z.B., indem sie fordern, daß unerfüllter Kinderwunsch als "Krankheit" bezeichnet und daher die Behandlung von den Kassen wieder vollständig übernommen werden muß. Kein gynäkologisch/medizinischer Kongreß ist heute ohne große Anteile der Reproduktionsmedizin bei der Themenauswahl denkbar, obwohl die Rate an so erzeugten Schwangerschaften die Thematik eigentlich als Nebenaspekt logisch machen müßte. Es geht eben um viel Geld.
In den Medien gibt es Werbung für die Kinderwunschbehandlung. Etwa nach dem Grundsatz: "man gönnt sich ja sonst nichts" wird auch den Paaren das Erfolgserlebnis suggeriert, sie könnten trotz großer geographischer Distanz (z.B. Mann in Berlin, Frau im Ruhrgebiet) ein gemeinsames Kind per high-tech-Medizin zeugen lassen. Das gipfelt in der Technik, Kryosperma vom toten Ehemann zur Befruchtung zu verwenden, oder gar tiefgefrorene Embryonen einzupflanzen.
Als eine dramatische Ungerechtigkeit müssen es diejenigen Paare empfinden, die sich zu einer Adoption entschlossen haben. Denn die Bedingungen dafür sind vielfach schwieriger, als die für die Inanspruchnahme der Kinderwunschbehandlung.
Perivisor
 
Zurück
Oben