Gisbert Zalich schrieb:
Ja, sehe ich auch so. Demokratie halte ich jedoch für die entwickelste aller Staatsformen. Nur: Sie muss gewachsen sein, weil nur so sie von innen getragen werden kann.
Eine wichtige Vorausetzung ist ein Grundmaß an Bildung für alle, die ihr Stimme abgeben dürfen. Eine überwiegende Mehrheit muss sich zu den Grundwerten eines Staates bekennen.
Provokant gerfagt: "Ist Demokratie überhaupt eine "Staatsform ?", angesichts der vielen demokratischen Monarchien in Europa. Nun ist aber unser aller Demokratieverständnis auf unserer jeweiligen, zum Teil unterschiedlichen, christlichen Tradition, auf unserem christlichen Menschenbild gewachsen. Im abendländischen Kulturbereich sind somit auch die verschiedenen Demokratien nicht identisch, und die eigene Sicht der "wahrer" Demokratie lässt sehr schnell Polaritäten innerhalb dieser Gemeinschaft entstehen, wohl mitbegründet vom eigenen Macht- oder Führungsanspruch gegenüber den anderen. Selbst hier bei uns ist somit Demokratie nicht gleich Demokratie, sondern mehr eine Frage der langjährigen Kultur und der Gewöhnung; und, '
wenn man nun einen Schweizer fragt: "Und wie ist das in der 'Schweiz?", so bekommt man zur Antwort: "In jedem Kanton anders!". '
In den alten Königreichen Afrikas gab Dorfstrukturen mit praktisch kommunistischem Aufbau bezüglich des Landeigentums, die Nutzungsrechte wurden Jahr für Jahr konsensdemokratisch verteilt, in diesem Bereich also höchst subsidieäre Konsensdemokratien – "Palaver-Demokratien", ähnlich auch in verschiedenen indigenen Kulturen beider Amerikas so wie auch in Kulturen des nahen und mittleren Ostens, allerdings vollständig zerstört durch die Interessen der Kolonialmächte.
Gisbert Zalich schrieb:
Der Irak als Einheit scheint mir nicht demokratiefähig und vielleicht auch nicht demokratiewillig zu sein. Können die Schiiten die Staatsmacht mit den Sunniten teilen und umgekehrt? Eher wohl nicht, wenn ich es richtig sehe.
Der "Irak als Einheit" ist überhaupt nur als kolonialer Begriff existent, als das Ergebnis von Machtinteressen, historisch extrem fragwürdig, - und nur unter ganz bestimmten Bedingungen stabil! (Aber da unterscheidet sich der Irak von allen anderen Regionen dieser Welt wohl überhaupt nicht, z.B. wie Irland, Spanien, Jougoslavien, die ehemalige Sovietunion usw.usf. -) Nach dem Untergang des letzten Großreiches auf diesem Boden im Altertum ist der "Irak" immer nur im Spannungsfeld der ihn umgebenden Großreiche gelegen, 'einem Balkan gleich'. Das einzige, das relativ konstant blieb, waren die Kleinstukturen, in denen sich der Mensch wiederfand. Aber selbst diese wurden von den Kolonialmächten willkürlich ge- und zerstört: "Dreiteilung" der Kurden, Aneinanderkettung von Schiiten und Sunniten, usw. usf.
Ich möchte nicht wissen, was hier bei uns in Österreich los wäre, wenn man ein neues "Volk" schüfe aus Niederösterreich, der Slowakei, ein bisschen Tschechen, Nordburgenland und Nordungarn, in der die Slowaken die relative Mehrheit bildeten, oder ärger gar eines mit einem Teil Kärntens, ganz Slowenien und ein ein Bisschen Tirol , Italien, Serbien und Kroatien, mit den Slowenen als relative Mehrheit. Ehrlich, diese letztere Pulverfass möchte ich mir nicht anschauen, um dessen "Demokratiefähigkeit" beurteilen zu müssen! Ich denke, wir haben kein Recht "mit dem nachkerten Finger auf angezogene Irakis zu zeigen". Demokratiefähigkeit ist nur zu einem kleinen Teil eine Eigenschaft eines singulären Subjektes unter anderen singulären Subjekten, zu einem weitaus größeren Teil aber jene einer Gemeinschaft innerhalb mehrerer Gemeinschaften!
lg, diethelm