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"Der Weg ist das Ziel"

trunkenmaster

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23. März 2020
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Nun habe ich angefangen, meine zwei Projekte "Der Weg ist das Ziel" und "Die Premier League" in Buchform nieder zuschreiben. Im ersten Buch schreibe ich über mein Befinden in der Langzeit-Therapie 2006/07 in Leipzig. Habe dort Tagebuch geführt und will damit helfen, daß Betroffenen, wie deren Angehörige eine Richtlinie bekommen. Wichtig aber, das sie Mut fassen die Sache Sucht anzugehen. Für mich dient es gleichzeitig noch einmal aufzuarbeiten.

Premier League ist ein breites Feld. Da bin ich mir noch nicht so sicher ob nur Premier League von 1888 bis Heute oder ich es in Form von Jahresbüchern mache. Saisonweise.

Für Rat und Feedback wäre ich euch dankbar. Ich stelle hin und wieder einige Leseproben hier herein.
 
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Ein ganz bescheidenes Vorwort

Nun ist es nicht gerade ein Thema, was auf den ersten Blick in ein Esoterik-Forum passt, aber ich bin der allgemeinen Meinung. Alles in unserem Dasein gehört irgendwie zusammen. Jedes Atom, jedes Ereignis, also alles was unser Universum ausmacht.Das Universum ist ein lebender Organismus, jedes Detail hat seinen unbedingten Platz. So glaube ich auch daran, das unsere Seelen (sprich Energie) nach dem Tod irgendwohin wandern. Evtl. unser Leben weitergeht auf einer anderen feinstofflichen Ebene. Esoterik hat mit Gedankenspielen zu tun, so auch mein eigentliches Thema auch: Alkoholerkrankung.
Ich bin seit Anfang der 90er Jahre Alkoholiker, habe drei Langzeittherapien durchlaufen, um jetzt zu sagen: Ich habe meine Alkoholsucht durch abstinentes Leben in den Griff bekommen ( acht Jahre trocken). Immer bedacht zu sein, das sich mein Suchtgedächtnis melden könnte, arbeite ich täglich an mir, um weiter "Der Weg ist das Ziel" zu gehen.
Nun möchte ich mit Abstand zur Suchterkrankung und meinen Erfahrungen damit, anderen Betroffenen und deren Angehörigen Mut machen, den Schritt zu wagen sich zu offenbaren. Es ist kein Zeichen von Schwäche, ganz im Gegenteil. Es ist die eigene Stärke sich davon zu befreien. Dazu bedarf es die Einsicht ein Alkoholkranker zu sein und sich dann die Hilfe zu suchen. Dies beginnt in der Regel beim Hausarzt.
Zudem ist es für mich noch einmal eine Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit.
 
EINFÜHRUNG

KAPITEL 1 : SUCHTMITTEL ALKOHOL

Die Alkoholkrankheit (auch Alkoholabhängigkeit genannt) ist die Abhängigkeit von der psychotropen Substanz Ethanol (Äthylalkohol).


1. Symptome


Die Beschaffung und der Konsum von Alkohol bestimmen das Leben zunehmend. Typisch sind fortschreitender Verlust der Kontrolle über das Trinkverhalten bis hin zum zwanghaften Konsum, Vernachlässigung früherer Interessen zugunsten des Trinkens, Leugnen des Suchtverhaltens, Entzugserscheinungen bei vermindertem Konsum, Toleranz gegenüber Alkohol ("Trinkfestigkeit") sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Im Diagnosesystem ICD-10 wird unterschieden zwischen Abhängigkeitssyndrom (F10.2) und schädlichem Gebrauch von Alkohol/Alkoholmissbrauch (F10.1). Letzteres bezeichnet - als schwächere Variante des Missbrauchsverhaltens - einen Alkoholkonsum mit nachweislich schädlicher Wirkung (körperlich oder psychisch),ohne dass eine Abhängigkeit vorliegt. Im DSM-5 wird dementsprechend bei der Alkoholkonsumstörung eine Einteilung in verschiedene Schweregrade Vorgenommen, wobei eine Alkoholkonsumstörung mit leichtem Schweregrad der ICD-10 Diagnose F10.1 entspricht. Die Zahl der Menschen, die an Alkoholkrankheit leiden, und die dadurch bedingten sozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden sind in absoluten Zahlen in Europa und den USA - neben den Gesundheitsschäden durch Tabakkonsum - um ein Vielfaches höher als bei illegalen Drogen. 7,4 % der gesundheitlichen Störungen und vorzeitigen Todesfälle in Europa werden auf Alkohol zurückgeführt. Damit steht die Krankheit an dritter Stelle als Ursache für vorzeitiges Sterben nach Tabakkonsum und Bluthochdruck. Sie ist zudem die häufigste Todesursache bei jungen Männern in der EU.


Klassifikation nach ICD-10


F10 - Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol
F10.0 - akute Alkoholintoxikation (akuter Alkoholrausch)
F10.1 - schädlicher Gebrauch von Alkohol
F10.2 - Abhängigkeitssyndrom
F10.3 - Alkoholentzugssyndrom
F10.4 - Alkoholentzugssyndrom mit Delir
F10.5 - psychotische Störung
F10.6 - amnestisches Syndrom
F10.7 - Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung
F10.8 - sonstige psychische und Verhaltensstörungen


ICD-10 online (WHO-Version 2019)


Alkoholabhängigkeit als Krankheit


Der schwedische Arzt Magnus Huss definierte im Jahr 1848 als erster den von ihm geprägten Begriff Alkoholismus als Krankheit. Er unterschied dabei zwischen der "acuten Alkoholskrankheit oder Vergiftung" und dem "Alcoholismus chronicus". allerdings setzte sich diese Erkenntnis lange nicht durch. Abraham, Baer, Gefängnisarzt in Berlin bezeichnete 1878 als Alkoholismus die Summe der Folgeschäden. Elvin Morton Jellinek, der zeitweise für die WHO arbeitete, setzte sich 1951 mit seiner durch die Arbeit mit den Anonymen Alkoholikern inspirierten Ansicht weltweit durch, dass Alkoholismus eine Krankheit ist.
ABHÄNGIGKEITSSYNDROM


Die ICD-10 definiert sechs Kriterien, von denen drei oder mehr mindestens einen Monat lang (oder bei kürzerer Dauer: innerhalb eines Jahres wiederholt) gleichzeitig vorhanden sein müssen, um die Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms (F10.2) stellen zu können:
1. Starkes oder zwanghaftes Verlangen, Alkohol zu konsumieren (Fachterminus: Craving)
2. Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich der Menge, des Beginns oder ende des Konsums (d.h., es wird regelmäßig mehr Alkohol oder über einen längeren Zeitraum konsumiert als geplant oder es bestehen der anhaltende Wunsch und Versuche, den Alkoholkonsum zu verringern oder zu kontrollieren, ohne dass dies nachhaltig gelingt)
3. Körperliche Entzugserscheinungen bei Konsumstopp oder Konsumreduktion
4. Nachweis einer Toleranz (um die gewünschte Wirkung hervorzurufen, sind zunehmend größere mengen an Alkohol erforderlich)
5. Einengung des Denkens auf Alkohol (d.h. Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Alkoholkonsums)
6. Anhaltender Substanzkonsum trotz gesundheitlicher und sozialer Folgeschäden für den Konsumenten, obwohl der Betroffene sich über die Art und das Ausmaß des Schadens bewusst ist oder bewußt sein könnte (z.B. Leberkrankheiten wie Leberzirrhose, eine Verschlechterung der kognitiven Funktionen, Verlust des Führerscheins oder Arbeitsplatzes, Trennung des Lebenspartners, Rückzug des Bekannten- und Freundeskreises etc.)
Im Gegensatz zu früheren ICD-Versionen müssen die "klassischen" Symptome der körperlichen Abhängigkeit, d.h. Toleranz und Entzugserscheinungen, nicht mehr unbedingt vorhanden sein, wenn ausreichend andere Symptome zutreffen.

SCHÄDLICHER GEBRAUCH VON ALKOHOL
Vom Abhängigkeitssyndrom unterschieden wird der schädliche Gebrauch von Alkohol (oder Alkoholmissbrauch, F10.1). Diese Diagnose wird vergeben, wenn bisher kein Abhängigkeitssyndrom vorliegt, jedoch dem Betroffenen (oder seinem sozialen Umfeld) körperliche oder psychische Schäden durch seinen Alkoholkonsum entstanden sind (z.B. Unfall). Hierunter fallen auch negative Konsequenzen in zwischenmenschlichen Beziehungen infolge von eingeschränkter Urteilsfähigkeit oder problematischem Verhalten des Betroffenen. für die Diagnose muss das schädliche Gebrauchsmuster seit mindestens einem Monat bestehen oder über ein Jahr hinweg mehrfach aufgetreten sein. Im medizinischen Jargon wird - wegen der Chemischen Summenformel von Ethanol (C2H5OH) - gelegentlich auch vom C2-Abusus gesprochen.
AKUTE ALKOHOLINTOXIKATION (AKUTER ALKOHOLRAUSCH)
Eine akute Alkoholintoxikation (F10.0) wird festgestellt, wenn akute Beeinträchtigungen des Bewusstseins, der Kognition, der Wahrnehmung, der Affekte oder des Verhaltensvorhanden sind, die eindeutig auf die Wirkung von Alkohol zurückgeführt werden können. Für die Diagnose muss mindestens eine der folgenden Verhaltensauffälligkeiten beobachtet worden sein:
- Enthemmung,
- Streitlust,
- Aggressivität,
- Affektlabilität,
- Aufmerksamkeitsstörung,
- Einschränkung der Urteilsfähigkeit oder - Beeinträchtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit.
Zudem muss mindestens eines der folgenden Merkmale vorliegen:
- Gangunsicherheit (Ataxie),
- Standunsicherheit,
- verwaschene Sprache,
- Nystagmus (ruckartige Augenbewegungen),
- Bewusstseinsminderung (z.B. Somnolenz, Koma),
- Bindehautrötung (konjunktivale Injektion).
Eine schwere Alkoholintoxikation kann auch mit Hypotonie (niedriger Blutdruck), Hypothermie (Unterkühlung) und einem abgeschwächten Würgereflex einhergehen. Kommen bei einer akuten Vergiftung Komplikationen hinzu (z.B. Verletzungen, Aspiration von Erbrochenem, Delir, Wahrnehmungsstörungen, Koma), spricht man von einem komplizierten Rausch. Die Art der Komplikation wird im ICD-10 an fünfter Stelle(F10.0x) codiert.

Von einem pathologischen Rausch (pathologische Alkoholintoxikation, F10.07) spricht man, wenn die Alkoholintoxikation bereits bei einer Trinkmenge auftritt, die bei den meisten Menschen keine Intoxikation hervorruft (unter 0,5 Promille) und mit verbaler Aggressivität oder körperlicher Gewalt einhergeht, die für denjenigen untypisch ist. Eine organische Hirnschädigung oder eine andere psychische Störung darf nicht vorliegen (in diesem Fall sollte eine entsprechende andere Diagnose vergeben werden).

 
WEITERE DIAGNOSTISCHE KATEGORIEN IM ZUSAMMENHANG MIT ALKOHOL

1. Alkoholentzugssyndrom ohne (F10.3) bzw. mit (F10.4) Delir
2. Psychotische Störung (F10.5): Halluzinationen und/oder Wahnvorstellungen, die innerhalb von zwei Wochen nach dem Alkoholkonsum auftreten. Dies Symptome halten jeweils länge als 48 Stunden an und treten über einen Zeitraum von maximal einem halben Jahr auf (ansonsten handelt es sich um eine andere Erkrankung, z.B. eine Schizophrenie).
3. Amnestisches Syndrom (F10.6; auch: Korsakow-Syndrom): Störungen im Bereich des Kurz- und Langzeitgedächtnisses. Eine Störung des Immediatgedächtnisses (z.B. unmittelbares Merken von Zahlen), ein Delir oder ein allgemeiner intellektueller Verfall (Demenz) liegen nicht vor.
4. Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung (F10.7): Hierunter fallen Störungen im Zusammenhang mit Alkohol wie z.B. das chronische hirnorganische Syndrom bei Alkoholismus, Demenz und andere leichtere Formen anhaltender Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten, anhaltende Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen, aber auch auftretende psychotische Störungen oder Nachhallzustände (Flashbacks).
Diagnose nach DSM-5
 
STÖRUNG DURCH ALKOHOLKONSUM (ALKOHOLKONSUMSTÖRUNG)
Das DSM-5 sieht zwölf Kriterien vor, von denen für eine Alkoholkonsumstörung zusätzlich zu klinisch bedeutsamen Leiden mindestens zwei über einen Verlauf von zwölf Monaten, vorliegen müssen:
1. Alkohol wird in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt konsumiert.
2. anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Alkoholkonsum zu verringern oder zu kontrollieren
3. hoher Zeitaufwand, um Alkohol zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von seiner Wirkung zu erholen
4. Craving oder starkes Verlangen, Alkohol zu konsumieren
5. wiederholter Alkoholkonsum, der zu einem versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt
6. fortgesetzter Alkoholkonsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme, die durch die Auswirkungen von Alkohol verursacht oder verstärkt werden
7. Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Alkoholkonsums aufgegeben oder eingeschränkt.
8. wiederholter Alkoholkonsum in Situation, in denen der Konsum zu einer körperlichen Gefährdung führt
9. fortgesetzter Alkoholkonsum trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehrenden körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich durch Alkohol verursacht wurde oder verstärkt wird
10. Toleranzentwicklung, definiert durch eines der folgenden Kriterien: - Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um einen Intoxikationszustand oder einen erwünschten Effekt herbeizuführen - deutlich verminderte Wirkung bei fortgesetztem Konsum derselben Menge an Alkohol
11. Entzugssymptome, die sich durch eines der folgenden Kriterien äußern:
- charakteristisches Entzugssyndrom in Bezug auf Alkohol (sieh Kriterien A und B für Alkoholentzug)
- Alkohol (oder eine sehr ähnliche Substanz, wie etwa Benzodiazepine) wird konsumiert, um Entzugssymptome zu lindern oder zu vermeiden.
Zusätzlich können Einordnungen getroffen werden:
- frühremittiert und anhaltend remittiert. Wenn die Diagnosekriterien einmal erfüllt waren, wird nach dreimonatiger Abstinenz der Zusatz frühremittiert gesetzt und nach zwölfmonatiger Abstinenz der Zusatz anhaltend remittiert. Für beide Einordnungen wird das 4. Kriterium nicht mit einbezogen.
- Wenn eine Person in geschützter Umgebung remittiert, also in Umgebungen, in denen kein Zugang zu Alkohol möglich ist (geschlossene stationäre Aufenthalte, Gefängnis o.ä.) dann wird zusätzlich in Geschützter Umgebung codiert.
- verschiedene Schweregrade (leicht, mittel, schwer):
1. Leicht: 2-3 Symptomkriterien sind erfüllt
2. Mittel: 4-5 Symptomkriterien sind erfüllt
3. Schwer: 6 oder mehr Symptomkriterien sind erfüllt
Bei leichtem Schweregrad entspricht dies dem ICD-10 Code F10.20.


ALKOHOLTOXIKATIONEN

A. Kurz zurückliegender Alkoholkonsum
B. Klinisch bedeutsame verhaltensbezogene oder psychische Veränderungen (z.B. unangemessenes aggressives oder sexuelles Verhalten, Affektlabilität, beeinträchtigtes Urteilsvermögen), die sich während oder kurz nach dem Alkoholkonsum entwickeln.
C. Mindestens eines der folgenden Anzeichen oder Symptome, die sich während oder kurz nach dem Alkoholkonsum entwickelt haben:
1. verwaschene Sprache
2. Koordinationsstörungen
3. unsicherer Gang
4. Augenbewegungsstörungen
5. Aufmerksamkeits- oder Gedächtnisstörungen
6. Stupor oder Koma
D. Die Anzeichen oder Symptome gehen nicht einen anderen medizinischen Krankheitsfaktor zurück oder können nicht besser durch eine andere psychische Störung einschließlich einer Intoxikation durch eine andere Substanz erklärt werden. Eine entsprechende ICD-10 Codierung wird je nachdem vorgenommen, ob eine Alkoholkonsumstörung vorliegt:
- ohne komorbide Alkoholkonsumstörung: F 10.929
- leichte komorbide Alkoholkonsumstörung: F10.129
- mittlere oder schwergradige Alkoholkonsumstörungen: F10.229

 
KRANKHEITSVERLAUF
Der amerikanische Physiologe Elvin Morton Jellinek stellte 1951 eine bis heute weit verbreitete Einteilung des Ablaufes der Alkoholkrankheit vor. Dabei unterschied er vier Phasen:
Voralkoholische oder symptomatische Phase
Jellinek sah als typisch für seine Prodromal- oder Vorläuferphase an, dass das Trinken in sozialen Zusammenhängen beginnt. Wie die meisten Menschen trinkt der potentielle Alkoholiker in Gesellschaft, nur dass er beim Trinken bald eine befriedigende Erleichterung verspürt. Diese schreibt er allerdings eher der Situation zu, dem Feiern, Spielen oder der Gesellschaft. Er beginnt, derartige Gelegenheiten zu suchen, in denen "nebenbei" getrunken wird. Mit der Zeit entwickelt sich Toleranz gegenüber dem Alkohol, das heißt, er braucht mehr Alkohol als früher, um den angestrebten Zustand der Euphorie zu erreichen. Er trinkt häufiger, auch zur Erleichterung seines Befindens. Die psychische Belastbarkeit lässt nach, so dass er bald täglich trinkt. Ihm und seinem Umfeld fällt dies meist noch nicht auf.

Prodromalphase
Jellinek definiert diese als die Phase erster Auffälligkeiten. Beim Alkoholiker in dieser Phase treten beispielsweise Gedächtnislücken (Amnesien) auf. Er kann sich vollkommen normal verhalten und sich dennoch manchmal an wenig erinnern, ohne dass er erkennbar betrunken gewesen ist. Der Alkohol ist nun kein bloßes Getränk mehr, er wird vom Alkoholiker gebraucht. Er beginnt zu merken, dass er anders als andere Menschen trinkt, und versucht nicht aufzufallen. Deshalb beginnt er heimlich zu trinken. Er denkt häufiger an Alkohol als üblich und trinkt die ersten Gläser hastig, um möglichst schnell die Wirkung zu bekommen. Da sich mittlerweile Schuldgefühle wegen seines Trinkens einstellen, versucht er das Thema Alkohol in Gesprächen zu vermeiden. Der Übergang zum chronischen Alkoholismus ist durch ein meist unauffällig gesteigertes Bedürfnis und Verlangen nach Alkohol gekennzeichnet; nach und nach ist wegen der körperlichen Gewöhnung eine immer höhere alkoholmenge nötig, um dieselben psychischen Effekte zu erreichen wie zu Anfang des Trinkens. Ein zunächst nur gelegentliches Erleichterungstrinken kann dann zum dauernden Entlastungstrinken ausarten.
Kritische Phase
Der Alkoholiker kann sein Trinken nun überhaupt nicht mehr kontrollieren. Er kann zwar über längere Zeit abstinent sein. Nach der ersten kleinen Menge Alkohol jedoch hat er ein nicht mehr zu beherrschendes Verlangen nach mehr, bis er betrunken oder zu krank ist weiterzutrinken.

Er selbst glaubt, dass er in diesem Situationen nur vorübergehend seine Willenskraft verloren hat, ist dem Alkohol gegenüber allerdings schon machtlos, d.h. alkoholabhängig. Diese Abhängigkeit ist ihm meistens nicht bewusst oder wird verdrängt. Er sucht Ausreden für sein Trinken, erst recht für seine Ausfälle. für die er überall, nur nicht in seinem Alkoholmissbrauch Gründe und Ursachen findet. Diese Erklärungsversuche sind ihm wichtig, da er außer dem Alkohol keine anderen Lösungen seiner Probleme mehr kennt. Er wehrt sich damit gegen soziale Belastungen. Wegen seines Verhaltens kommt es immer häufiger zu Konflikten mit der Familie.

Ganze Familien isolieren sich, wenn sie den Trinkenden "decken" (Co-Alkoholismus, Co-Abhängigkeit) oder die Angehörigen sich seiner schämen. Der Alkoholiker kann so in die Rolle eines Despoten geraten. Sein schrumpfendes Selbstwertgefühl kompensiert er dabei immer mehr durch gespielte Selbstsicherheit und großspuriges Auftreten.

Der Süchtige kapselt sich zunehmend ab, sucht aber die Fehler nicht bei sich, sondern bei Anderen. Er verstärkt seine soziale Isolierung immer mehr, während er zu anderen Zeiten oft geradezu verzweifelt um Nähe, Verständnis und Zuspruch bettelt. Mancher bagatellisiert sein Trinkverhalten mit bekannten Sprüchen wie "Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren". Oder er verliert das Interesse an seiner Umgebung ganz, richtet seine Tätigkeiten nach dem Trinken aus und entwickelt so ein eigenbrötlerisches Verhalten mit Selbstmitleid, in dem er sich wiederum mit Alkohol "tröstet". Soziale Isolation und Verstrickung in Lügen und Erklärungen werden zu besonders auffälligen Merkmalen von chronisch gewordenem Alkoholismus.
Chronische Phase
Der Alkohol beherrscht den Trinker nun vollkommen. Seine Persönlichkeit verändert sich. Er trinkt unter der Woche, am hellen Tag, schon am Morgen.
Räusche können sich über Tage erstrecken. Sozialer Kontakt ist im chronischen Stadium meist nur noch mit Menschen möglich, die gleichfalls viel trinken. In der Gruppe entwickeln sie, wechselseitig bestärkt, ein noch auffälligeres Verhalten, bis im Rauschzustand der letzte Rest Anstand, Rechtsbewusstsein und Selbstachtung schwindet. Motorische Unruhe und Angstzustände können nun ein Entzugssyndrom ankündigen, das nur mit Weitertrinken vermieden werden kann. In dieser Phase kann kaum noch von "Befriedigung" im Rausch die Rede sein. Vielmehr vermeidet und bekämpft der Süchtige meist nur noch schnell oder verstärkt auftretende Entzugssymptome, wenn nötig mit Hilfe von Billigprodukten oder sogar vergälltem Alkohol wie Brennspiritus. Im Endstadium der chronischen Phase können Alkoholpsychosen mit typischen Halluzinationen, Angst und Desorientierung auftreten, oft verbunden mit unbestimmten religiösen Wünschen. Epileptische Anfälle oder ein lebensgefährliches Delirium tremens können auftreten. Nicht wenige Alkoholiker nehmen sich das Leben. In dieser Endphase ist der Kranke am ehesten bereit, Hilfe anzunehmen. Einweisung in ein geeignetes, meist psychiatrisches Krankenhaus zur "Entgiftung" oder besser gesagt zum "körperlichen Entzug" ist dann lebensrettend und gleichzeitig ein möglicher "Einstieg" zur notwendigen Entwöhnungsbehandlung.


Gundula Barsch beschreibt den Krankheitsverlauf abweichend von Jellinek:
- Initialphase = Initialphase = Ausprobieren und Experimentieren mit Hauptmotiv Neugier
- Veränderung der Konsummotivation
- Verlagerung der Bezugsgruppe
- Einübung im Sinne des Erlernens der Regeln eines Konsummilieus
- Externes Labeling = Zuschreibung von Eigenschaften der Person durch Außenstehende
- Milieutypisches Selbstmanagement = Übernahme eines drogenbezogenen Lebensstiles mit entsprechenden Werten, Normen und Verhaltensstilen
- Subsumption der eigenen Identität unter die der Kategorie des Abhängigen = Übernahme im Selbstbild und als Orientierung für Verhalten

 
AUSPRÄGUNGEN DER KRANKHEIT


Magnus Huss definierte 1849 die "acute Alkoholskrankheit". Hierzu zählt Huss neben dem, was heute als Alkoholvergiftung bezeichnet wird, auch das Delirium tremens, da es ein akuter Zustand einer chronischen Vergiftung sei. Die "chronische Alkoholskrankheit" unterteilte er danach, ob die Symptome von der somatischen (körperlichen) oder der psychischen (seelischen) "Sphäre" ausgehen oder aber von beiden. Jellineks heute noch verbreitetes Konzept von 1951 unterteilt Alkoholkranke in fünf Typen:

1. Der Alpha-Typ (Problemtrinker, Erleichterungstrinker)
Trinkt, um innere Spannungen und Konflikte (etwa Verzweiflung) zu Beseitigen ("Kummertrinker"). Die Menge hängt ab von der jeweiligen Stress-Situation. Hier besteht vor allem die Gefahr psychischer Abhängigkeit. Alphatrinker sind nicht alkoholkrank, aber gefährdet.
2. Der Beta-Typ (Gelegenheitstrinker)
Trinkt bei sozialen Anlässen große Mengen, bleibt aber sozial und psychisch unauffällig. Betatrinker haben einen alkoholnahen Lebensstil. Negative gesundheitliche Folgen entstehen durch häufigen Alkoholkonsum. Sie sind weder körperlich noch psychisch abhängig, aber gefährdet.
3. Der Gamma-Typ (Rauschtrinker, Alkoholiker) Hat längere abstinente Phasen, die sich mit Phasen starker Berauschung abwechseln. Typisch ist der Kontrollverlust: Er kann nicht aufhören zu trinken, auch wenn er bereits das Gefühl hat, genug zu haben. Obschon er sich wegen der Fähigkeit zu längeren Abstinenzphasen sicher fühlt, ist er alkoholkrank.
4. Der Delta-Typ (Spiegeltrinker, Pegeltrinker, Alkoholiker)
Ist bestrebt, seinen Alkoholkonsum im Tagesverlauf (auch nachts) möglichst gleichbleibend zu behalten; deshalb der Begriff Spiegeltrinker (konstante/r Blutalkoholkonzentration bzw. -spiegel). Dabei kann es sich um vergleichbar geringe Konzentrationen handeln, diese steigen jedoch im Verlauf der fortschreitenden Krankheit und der damit sich erhöhenden Alkoholtoleranz meist an. Der Abhängige bleibt lange sozial unauffällig ("funktionierender Alkoholiker"), weil er selten erkennbar betrunken ist. Dennoch besteht starke körperliche Abhängigkeit. Er muss ständig Alkohol trinken, um Entzugssymptome zu vermeiden. Durch das ständige Trinken entstehen körperliche Folgeschäden. Deltatrinker sind nicht abstinenzfähig und alkoholkrank.
5. Epsilon-Typ (Dipsomanie, Quartalstrinker, Alkoholiker)
Erlebt in unregelmäßigen Intervallen Phasen exzessiven Alkoholkonsums mit Kontrollverlust, die Tage oder Wochen dauern können. Dazwischen kann er monatelang abstinent bleiben. Epsilon-Trinker sind alkoholkrank.


Cloninger definierte 1981 nur noch zwei Typen:
1. Der Typ-I-Alkoholismus
Der "milieugeprägte" Alkoholismus kennt sowohl männliche als auch weiblich Betroffene. Bei beiden kann der Missbrauch schwer, aber auch mild verlaufen. Die Krankheit verschlimmert sich meist schnell. Je niedriger der soziale Status, desto schwerer ist der Verlauf. Der Betroffene versucht ausgeprägt, Schaden von sich fern zu halten, und ist relativ abhängig von "Belohnung". Bei ihm sind Depressionen und Angststörungen verbreitet, die er mit Alkohol zu bekämpfen sucht. Die genetische Disposition ist in der Regel gering ausgeprägt.
2. Der Typ-II- Alkoholismus
Dieser Typ hat ausschließlich männliche Betroffene. Der Abusus ist üblicherweise eher mittelschwer, manifestiert sich aber früh. Während die Mutter meist unauffällig ist, hat der Vater sein Alkoholproblem oft schon vor dem 25. Lebensjahr entwickelt und neigt zudem zur Kriminalität. Die Betroffenen zeigen oft asoziales Verhalten bei gleichzeitig hoher Risikobereitschaft. Sie nutzen den Alkohol zum Euphorisieren und neigen auch zum Missbrauch anderer Stimulantien. Wahrscheinlich sind hier Gene wesentlich entscheidender als soziale Faktoren. S. Y. Hill ergänzte im Jahr 1992 Cloningers Einteilung noch um den
Typ-III-Alkoholiker
Typ III Alkoholiker, welcher ebenso wie der Alkoholiker vom Typ II stark genetisch bedingt ist, jedoch keine antisoziale Komponente aufweist.
 
KRITIK AN JELLINEKS KONZEPTEN

George Eman Vaillant hält wie auch Johannes Lindenmeyer Jellineks Sicht des Krankheitsverlaufes für zu geradlinig, vorbestimmt und nicht aufhaltbar. Sie würden sich auf Erfahrungen, nicht jedoch auf wissenschaftliche Studien stützen. Etliche würden wieder zu maßvollem Trinkverhalten oder auch zur Abstinenz zurückfinden. Das Grundkonzept hält er aber für korrekt.


Biologie der Alkoholsucht
---- Hauptartikel: Alkoholkonsum

Alkohol beeinflusst den Stoffwechsel im Gehirn erheblich. Er stimuliert dabei die GABA-Rezeptoren in Gehirn und Nerven Systemen und hemmt die NMDA-Rezeptoren, wodurch Alkohol entspannend und angstlösend wirken kann. Da die GABA-Rezeptoren allerdings bei ständiger Stimulation Toleranz entwickeln, werden bei längerem Alkoholmissbrauch immer größere Mengen benötigt, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Diese Effekte beruhen auch auf der erhöhten Produktion von Dopamin und Endorphinen. Aber auch die starken Entzugssymptome begünstigen eine einmal vorhandene Abhängigkeit. Bei einem Alkoholentzug wird erkennbar, dass die exzitatorischen NMDA-Rezeptoren als Gegenmaßnahme gegen die Hemmung durch den Alkohol hochreguliert und die inhibitorisch wirkenden GABA-Rezeptoren nach unten reguliert wurden. Fällt nun der Alkohol weg, ist das exzitatorische System deutlich wirksamer als das inhibitorische. Dies erklärt die verschiedenen Symptome des körperlichen Entzugssyndroms. Durch die nicht mehr vorhandene Unterdrückung der Nervenzellen entstehen durch deren Überregung Angstgefühle, Zittern, Halluzinationen bis hin zu Krampfanfällen. Deshalb trinkt der Kranke frühzeitig wieder Alkohol, um die quälenden Symptome zu beseitigen.

Krankheitsursachen


Zwilling- und Adoptionsstudien deuten darauf hin, dass das Risiko für Alkoholabhängigkeit bei nahen Verwandten von Alkoholabhängigen um das Drei- bis Vierfache erhöht ist. Genetische Faktoren erklären jedoch nur einen Teil des Risikos, ein großer Teil ist auf Umwelt- und zwischenmenschliche Faktoren (z.B. kulturelle Einstellungen, Verfügbarkeit, Erwartung bzgl. der Wirkungen des Alkohols auf Stimmung und Verhalten, persönliche Erfahrungen mit Alkohol und Belastungen). Die Forschung geht gegenwärtig davon aus, dass die Alkoholkrankheit zu 40 bis 60 % genetisch beeinflusst wird. Dies bezieht sich vor allem auf angeborene Unterschiede bezüglich der Alkoholverträglichkeit bzw. der Abbaukapazität der Leber. Hierzu zählt beispielsweise das Enzym Alkoholdehydrogenase. Bei manchen Menschen liegt eine Variante mit verminderter Aktivität vor, wodurch es zu schwereren Vergiftungserscheinungen kommt. Dadurch wird eine Alkoholabhängigkeit unwahrscheinlicher. Menschen, die vergleichsweise viel Alkohol vertragen, sind hingegen besonders gefährdet, auf lange Sicht alkoholabhängig zu werden. Zudem gibt es Hinweise auf angeborene Unterschiede bezüglich des Verhältnisses zwischen angenehmer Hauptwirkung und unangenehmer Nachwirkung des Alkohols (Zwei-Phasen-Wirkung von Alkohol). So tritt die Wirkung des Alkohols bei Söhnen von Alkoholkranken erst bei höheren Konzentrationen ein als bei anderen Menschen. Damit es zur Alkoholabhängigkeit kommt, müssen die Betroffene jedoch erst über eine längere Zeit erhebliche Mengen von Alkohol trinken, was nicht erblich bestimmt ist. 70 bis 80 % aller Männer mit einem alkoholabhängigen Verwandten werden nicht alkoholabhängig. Genetisch bedingt sein kann auch ein Mangel des Neurotransmitters Dopamin, der beim Konsum von Alkohol vermehrt ausgeschüttet wird und die Stimmung hebt (Belohnungssystem). Weitere genetischen Faktoren werden derzeit noch untersucht. Ob eine vererbte erhöhte Aktivität des Enzyms Salsolinol-Synthase an der Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit beteiligt ist, wurde untersucht. Im Tierversuch stieg nach Gabe von Alkohol die Produktion von Salsolinol und damit die Stimmung deutlich an. Weniger Salsolinol würde dementsprechend weniger Belohnungsreize auslösen und damit eine geringere Gefahr bedeuten. Dies wurde mittlerweile jedoch widerlegt. Etwa80 % der stationär behandelten Alkoholiker haben Verwandte ersten oder zweiten Grades, die Alkoholprobleme haben. Sind Verwandte ersten Grades betroffen, ist das Risiko, auch zu erkranken, um das Siebenfache erhöht. Zudem wurde in Zwillingsstudien festgestellt, dass bei Frauen offenbar die Vererbung mehr im Vordergrund steht, während Männer stark von Umwelteinflüssen abhängig sind. Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) schrieben in der Fachzeitschrift "Molecular Psychiatry", dass Untersuchungen zufolge zwei Mutationen im CRHR1-Gen (Corticotropin releasing Hormone receptor 1) die Anfälligkeit zum gesteigerten Alkoholkonsum beeinflussen. Dieses Gen ist für ein Protein verantwortlich, das bei der Verarbeitung von Stress und der Steuerung von Gefühlen eine Rolle spielt. Das Risiko der Erkrankung von Kindern, die getrennt von ihren alkoholkranken Eltern aufwuchsen, ist demnach drei- bis viermal höher als das von Kindern nicht alkoholkranker Eltern. Eine Veränderung des MAOA-Gens scheint mit Alkoholismus, Drogenmissbrauch und antisozialem Verhalten in Verbindung zu stehen (siehe auch: Warrior Gene).

SOZIALE FAKTOREN

Gesellschaftliche Ursachen
Alkohol ist in vielen Kulturen eine gesellschaftlich anerkannte, einfach und billig zu beschaffende Droge, deren Konsum in manchen Situationen geradezu erwartet wird. Beispiele sind die bürgerliche Trinkkultur (Feierabendbier), High-Society-Treffen (Whiskey und Zigarren) oder die Verbrüderung durch gemeinsames "Saufen". Der Konsum von Alkohol wird bis zu einem gewissen Grad in allen Gesellschaftsschichten akzeptiert. Insbesondere von Männern wird oft eine gewisse Trinkfestigkeit als Beweis von Männlichkeit und Belastbarkeit erwartet. Da starker Alkoholkonsum die Alkoholtoleranz erhöht fördert dies gesellschaftliche Statusdefinition auch die Verbreitung von Alkoholismus. Nachgewiesen ist, dass Belastungen in der Arbeitswelt zu den Faktoren gehören, die das Suchtrisiko erhöhen ( siehe dazu auch: Gratifikationskrise).
Familiäre Ursachen
Kinder suchtkranker Eltern werden statistisch gesehen häufiger abhängig als andere Kinder. Das Aufwachsen mit einem Suchtkranken in der Familie stellt eine erhebliche psychische Belastung dar. Physische, psychische und sexuelle Gewalt (sexueller Missbrauch) verbunden mit Sucht in der Herkunftsfamilie sind erhebliche Risikofaktoren. Töchter aus Sucht-Familien heiraten auch deutlich häufiger selbst wieder einen Alkoholiker. Günstig wirkt sich dagegen aus, wenn die Eltern ihre Alkoholabhängigkeit überwinden. Der erste Kontakt mit Alkohol findet zumeist auf Familienfeiern statt. Kinder aus Elternhäusern, in denen viel Tabak oder/und Alkohol konsumiert werden, fangen früher und intensiver an, damit zu experimentieren. Hierbei fällt auf, dass der Einfluss des Konsumverhaltens der Mutter größer ist als der des Vaters, was offenbar damit zusammenhängt, dass noch immer Mütter mehr an der Erziehung beteiligt sind. Erleben die Kinder das jedoch sehr negativ, können sie auch eine ablehnende Haltung gegenüber dem Alkohol entwickeln. Systemische Ansätze postulieren, dass in vielen Suchtfamilien dysfunktionale familiäre Muster vorliegen. Im Allgemeinen wird von starren Außengrenzen bei diffusen Innengrenzen ausgegangen, welche zu einer Isolierung dieser Familien führen, anderseits dem Jugendlichen die Ablösung massiv erschweren. Je nach Geschlecht des Alkoholkranken liegt in diesen Familien ein Muster von Konfliktvermeidung (Männer) oder Konfliktbereitschaft (Frauen) vor. Jugendliche mit alkoholabhängigen Eltern haben eine auffallend geringe Aktivität der Amygdala ( emotionales Zentrum im Gehirn), was das Risiko, selbst zu erkranken, deutlich erhöht.
 
PSYCHOLOGISCHE FAKTOREN


Im Sinne der Lerntheorie wirken die schnell eintretenden positiven Wirkungen des Alkohols (z.B. Entspannung, Glücksgefühl) als unmittelbare Verstärker für das Suchtverhalten (operante Konditionierung). In einer neutralen Situation handelt es sich um positive Verstärkung (etwas Positives kommt hinzu). In einer unangenehmen (Stress-) Situation wirkt Alkohol als negativer Verstärker, d.h., ein unangenehmer Zustand (z.B. Angst, Anspannung, Ärger) wird beseitigt. Letzteres spielt vor allem eine Rolle, wenn der Betroffene sich über längere Zeit in einer als negativ erlebten Situation befindet. Diese Mechanismen spielen somit eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung der Problematik. Häufig hat der erste Konsum jedoch kein positives Erleben zur Folge. manchmal sogar negative Auswirkungen (z.B. bitterer Geschmack, Schwindel, Übelkeit). Beim Erstkonsum spielt somit die soziale Verstärkung durch Zuwendung der Bezugsgruppe (z.B. peer Group) sowie die beobachtete positive Wirkung bei anderen eine wichtige Rolle (Modelllernen). Ist Alkohol leicht verfügbar, wird der Konsum in der Bezugsgruppe hoch bewertet (sozialer Druck), besteht eine starke Bindung des Betroffenen an diese Gruppe und ist er durch diese stark beeinflussbar, ist die Wahrscheinlichkeit zum Konsum hoch. Eine positive Ergebniserwartung (siehe Sozialkognitive Lerntheorie) bezüglich sozialer Vorteile des Alkoholkonsums (Kontakterleichterung, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bezugsgruppe etc.) oder der Wirkung der Substanz stellen ebenfalls Risikofaktoren dar. Günstig wirken sich "allgemeine Lebenskompetenzen" wie z.B. Fähigkeiten zur Stressbewältigung, Selbstsicherheit und Kommunikationsfähigkeit (vgl. auch Soziale Kompetenz) aus sowie im Besonderen die Fähigkeit, Konsumangebote trotz sozialen Drucks ablehnen zu können. Eine kritische Einstellung und ein kritischer Umgang mit legalen psychoaktiven Substanzen ist ebenfalls ein Schutzfaktor. Die Attributionstheorie postuliert bei Alkoholkranken ein bestimmtes Muster an Kontrollüberzeugungen, was sich jedoch nur auf den Alkoholkonsum bezieht. Es wird davon ausgegangen, dass Alkoholkranke dazu neigen, ihren Alkoholkonsum eher external zu attribuieren. Das bedeutet, dass die Ursachen für das Trinkverhalten externen, nicht von ihnen kontrollierbaren Faktoren zugeschrieben wird. Diese generalisierte Erwartungshaltung wird durch soziales Lernen erworben. Bisher konnte keine spezifische Suchtpersönlichkeit gefunden werden. Von verschiedenen Autoren v.a. psychodynamischer Ausrichtung wird jedoch angenommen, dass Alexithymie (Schwierigkeit, Gefühle zu benennen, zu unterscheiden und auszudrücken)bei Abhängigen über zufällig häufig ist. Verschiedene Studien belegen zudem einen engen Zusammenhang zwischen Sensation Seeking und Suchtverhalten, wobei biologische Mechanismen angenommen werden. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass Sensation seeking nur ein vordergründiges Symptom einer zugrunde liegenden ADHS ist.
 
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WEITERE SCHUTZ- UND RISIKOFAKTOREN

Gestillt werden verringert möglicherweise das Risiko, alkoholkrank zu werden. Das ergab eine Auswertung der "Copenhagen Perinatal Cohort" Studie. Die Langzeituntersuchung umfasst die Daten von 6562 inzwischen 44- bis 46-jährigen Kopenhagenern. Das Risiko, alkoholabhängig zu werden, war für Probanden, die als Kind nur kurz gestillt wurden, um fast 50 Prozent höher als das von Teilnehmern, die lange gestillt worden waren. Eine hohe Testosteronkonzentration während der Embryonalentwicklung scheint ein Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit zu sein.

ALKOHOLENTZUGSSYNDROM


Ein Alkoholentzugssyndrom kann auftreten, wenn der Alkoholkonsum reduziert oder abrupt beendet wird. Dabei können heftige bis lebensbedrohliche Entzugserscheinungen auftreten. Entzugssymptome sind Übelkeit, Nervosität, Schlafstörungen, der starke Drang, Alkohol trinken zu müssen ("Sauffduck"), Gereiztheit und Depressionen. Ist die körperliche Abhängigkeit schon fortgeschritten, kommen beispielsweise starkes Schwitzen, Zittern (vor allem der Hände), grippeähnliche Symptome und - in äußerst schlimmen Fällen - Krampfanfälle hinzu mit Zungenbiss und Halluzinationen bis zum gefürchteten Delirium tremens. Das unvollständige Delir (sogenanntes "Prädelir") zeigt vor allem gegen Abend Halluzinationen, Schlafstörungen und Schreckhaftigkeit. Der Patient schwitzt und zittert, Grand-Mal-Krampfanfälle können vorkommen. Das eigentliche Delirium tremens macht sich bemerkbar durch Desorientiertheit, Übererregbarkeit und psychotische Erscheinungen wie illusionäre Verkennung sowie optische (gesehene) und taktile (gefühlte) Halluzinationen. Das vegetative Nervensystem entgleist, der Patient bekommt Fieber, Bluthochdruck, einen zu schnellen Puls (Tachykardie) und schwitzt sehr stark (Hyperhidrose). Zittern (Tremor) ist obligatorisch. Sieben Prozent aller Delirien verlaufen lebensgefährlich mit schweren Kreislaufstörungen.


WESENSVERÄNDERUNGEN

Die alkoholtoxische Wesensveränderung ist eine der schwerwiegendsten Folgen des Alkoholkonsums. Sie ist eine Vergiftung durch langjährigen und regelmäßigen Alkoholkonsum. Die Wesensveränderung ist bei Alkoholabhängigen unterschiedlich. Neben deutlicher Beeinträchtigung der Leistung von Gedächtnis, Konzentration, Antrieb und Aufmerksamkeit fällt ein häufiges Auftreten von Eifersuchtswahn auf. Betroffen sind vor allem die Reaktionsmuster auf alltägliche Belastungen und Konflikte, wodurch die Gesamtpersönlichkeit unharmonisch-entdifferenziert wirkt. Als Komorbiditäten (Begleiterkrankung) können auch Depressionen auftrete. In der Folge langfristigen Alkoholismus kommt es auch zu psychotischen Störungen, die bislang nicht vorhanden waren. Zudem engen sich die Interessen stark auf die Sucht ein, während bisherige Aktivitäten sowie Körperpflege und -Hygiene vernachlässigt werden. Sehr problematisch ist oft erhöhte Aggressivität und Gewaltbereitschaft. Bis zu 35 % der Fälle häuslicher Gewalt sind auf Alkoholkrankheit zurückzuführen. Zur Wesensveränderung gehört auch die Neigung, die Alkoholkrankheit zu leugnen oder zu bagatellisieren.


FOLGEN FÜR DIE FAMILIE

Die Probleme eines Alkoholkranken werden oft vom Lebenspartner und von der ganzen Familie mitgetragen oder kompensiert. Einerseits gewinnen letztere aus ihrer Hilfeleistung eine persönliche oder gesellschaftliche Anerkennung, andererseits auch eine Entwertung. Langfristig kann sich bei ihnen ein ausgebrannt sein entwickeln, das Burnout-Syndrom. Das Gefühl, dem Alkoholkranken zu helfen, kann anfangs das persönliche Selbstwertgefühl steigern. Später dominiert ein Gefühl der Hilflosigkeit. Dieses Verhalten ist als "Helfersyndrom" bekannt. In Selbsthilfegruppen wird die Alkoholkrankheit als Familienkrankheit gesehen. Der Grund: In der Familie bzw. in der Partnerschaft sind oft alle an einer Manifestation der Sucht und deren sozialen Folgen beteiligt. Durch Verleugnung der Probleme und der Denkmuster, aber auch durch das Verhalten der Angehörigen selbst wird die Krankheit des Alkoholikers stabilisiert und ein professioneller Versuch der Genesung erschwert. Partner, die solchen Mechanismen unterliegen, werden als Co-Alkoholiker bezeichnet. Ein großes Problem ist die Alkoholabhängigkeit alter Menschen. Sie leben oftmals allein und können ihre Trinkgewohnheiten verbergen. Es kann zum körperlichen und geistigen Abbau kommen, bis hin zur Demenz.

GESELLSCHAFTLICHE FOLGEN UND KOSTEN


Die Folgekosten der Alkoholkrankheit sind sehr hoch. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums betrugen die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten in Deutschland für Unfälle unter Alkoholeinfluss in den Jahren 2010 bis 2014 insgesamt 7,77 Milliarden Euro. Unter Alkoholeinfluss werden außerdem zahlreiche Straftaten wie Diebstahl, Einbruch, Raub und Betrug begangen, deren Schadenssumme in Deutschland in den Jahren 2011 bis 2015 insgesamt mehr als 103 Millionen Euro betrug. Dazu kommen erhebliche Kosten im Gesundheitssystem einschließlich indirekter Kosten, z.B. durch Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung (volkswirtschaftliche Verluste) oder erhöhte Scheidungsraten. Besonders leiden Kinder und Jugendliche in alkoholbelasteten Familien. Sie haben unter anderem in der Schule und beim Berufseinstieg vielfach schlechtere Chancen. Viele Kinder bekommen selber, zum Teil auch (epi-) genetisch bedingt, psychische oder Alkoholprobleme - teilweise lebenslang. U.a. wegen der schlechten Erfassbarkeit ist die Gruppe der Kinder bisher wenig beachtet. Insbesondere führt das fetale Alkoholsyndrom zu kognitiven Beeinträchtigungen.
 
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