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Der Fluch der Moderne

AW: Der Fluch der Moderne

hallo, miriam!

ich würde putins politik nicht als stalinfreundlich bezeichnen. das einzige, was womöglich putin an stalin schätzt, ist die behauptung der russischen führungsrolle im gebiet der alten SU und die methoden viele dinge im geheimen zu "klären".
doch sind andere ziele wie die freie marktwirtschaft mit sich herausbildenden monopolen, zusammenarbeit mit anderen staaten wie china und einmischung in fremde konflikte nicht unbedingt die von stalin gewesen!


Hallo psbvbn1,

wenn man es richtig wahrnimmt wie der russische Staat heutzutage seine Bürger einschüchtert, dann erinnert dies stark an die Methoden der stalinistischen Ära. Und dann ist es nicht verwunderlich, dass dieses Signal des Kremls zusätzlich gesendet wird. Was im staatlichen Fernsehen läuft, und noch dazu mit einem so heicklen Thema, ist im Sinne des Kremls.

Für diejenigen die solche Zeiten mehr oder weniger nah miterlebt haben, ist dies unmisverständlich: auch jetzt kann wieder willkürlich, ohne dass demokratische Mechanismen zum Zuge kommen, entschieden werden. Ein geschickter Schachzug eines Staates welcher immer mehr zum Polizeistaat wird.
Es reicht, dass du dir den neuen Prozess gegen Michail Chodorkowski ansiehst oder die vielen Morde an kritische Journalisten, um zu begreifen, dass die Politik von Putin nichtsmehr mit Glaznost und Perestroika zu tun hat.

Dazu müsste man eigentlich einen separaten Thread bei Politik eröffnen - mal sehen ob ich es in einigen Tagen machen werde.

Gruß von Miriam
 
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AW: Der Fluch der Moderne

Nächtens - obwohl man da etwas anderes tun sollte - dachte ich noch einmal über diesen Thread nach, und da fiel mir ein Wort von Franz Grillparzer (1791-1872) ein: "Von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität".
Ob das richtig ist, sei dahingestellt, aber es brachte mich zu der Überlegung, daß man bei allen der "geschehenen Dinge" unterscheiden muß zwischen der notwendigen Voraussetzung (conditio sine qua non) und der hinlänglichen Bedingung (conditio per quam).
Die Moderne war eine solche Voraussetzung; aber bewirkt hat sie weder den Hitler noch den Stalin noch die Kriege usf. - Aufklärung und die liberale Idee waren conditiones für die Industriealisierung, aber verursacht wurde sie durch Erfindungen und Innovationen.
Dies nur als kleiner Nachtrag zu dem BTAZ (= bester Thread aller Zeiten). - Smile!
Ziesemann
 
AW: Der Fluch der Moderne

Nächtens - obwohl man da etwas anderes tun sollte - dachte ich noch einmal über diesen Thread nach, und da fiel mir ein Wort von Franz Grillparzer (1791-1872) ein: "Von der Humanität über die Nationalität zur Bestialität".
Ob das richtig ist, sei dahingestellt, aber es brachte mich zu der Überlegung, daß man bei allen der "geschehenen Dinge" unterscheiden muß zwischen der notwendigen Voraussetzung (conditio sine qua non) und der hinlänglichen Bedingung (conditio per quam).
Die Moderne war eine solche Voraussetzung; aber bewirkt hat sie weder den Hitler noch den Stalin noch die Kriege usf. - Aufklärung und die liberale Idee waren conditiones für die Industriealisierung, aber verursacht wurde sie durch Erfindungen und Innovationen.
Dies nur als kleiner Nachtrag zu dem BTAZ (= bester Thread aller Zeiten). - Smile!
Ziesemann

Hallo, Du

habe Dich bereits als verschollen geglaubt.

Ich freue mich, dass Du wieder im DF-Lande weilst und uns wertvolle Ideen und Anregungen mitgebracht hast. Immer interessant!

Mit freudigen Grüßen

suche :zauberer2
 
AW: Der Fluch der Moderne

hallo, miriam!

ich würde mich freuen, wenn du über den derzeitigen zustand des russischen staates und seine folgen auch für uns, einen thread eröffnest. allerdings sage ich schon hier ganz klar: ich bin kein verfechter von putins politik, halte ihn aber für einen besseren regierenden als alles, was seit gorbatschow an die macht kam und finde es unverständlich wie die westlichen medien immer gegen ihn hetzen, so als ob sie von zentralen stellen dazu aufgefordert werden...?!
 
AW: Der Fluch der Moderne - Ausblick

Um von Heine zu einem anderen Text zu kommen. Der Faust hat ja 200 jähriges Jubiläum:

Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.


Soviel aus dem Osterspaziergang. In der "Zeit" war unlängst eine Interpretation zu lesen, die sich gerade auf die epochale Einordnung bezog. Das Auferstehen und die Befreiung bezog sich darin - wenn ich es richtig verstanden habe - gerade auch auf die Aufklärung.
Während Faust allerdings noch in derlei Gedanken sinniert, heftet sich bereits der Pudel an seine Fersen...

Und so kommt mir der Lauf der Geschichte, insbesondere die Entwicklung der Moderne, auch vor. Die Befreiung aus jahrhundertelangem Dämmerschlaf des Mittelalters führte zu neuen Versuchen, die Welt zu begreifen und zu ordnen. Aber neben allem Positiven, die eine solche Neuorientierung mit sich brachte, lauerte auch gleichsam die Gefahr des Mißbrauchs dieses sehr plötzlich entstandenen Vakuums. Bereits unter Robbespiere zeigte sich diese Ambivalenz. Bestimmt mochte mancher auch Aufgelärte sich gemessen an dem Blutbad die Revolution wieder weg wünschen. Wie vergleichsweise moderat erschienen dagegen die Stein / Hardenbergschen Reformen in Preußen.

Trotzdem: Wie unentschlossen und halbherzig wirkte dagegen die Revolution von 1848. Das heißt aber nicht, daß nicht auch in Deutschland viele Prinzipien über Bord gingen, nur - so scheint es - oft gerade die falschen. Wohin der deutsche Weg führte, wurde bereits in den vorangegangenen Beiträgen erörtert, die Folgen sind bekannt. Wie immer im Einzelnen die Grausamkeiten zu erklären sind, in einem Punkt bin ich mir sicher: Der fast über Nacht vorgenommene, politisch, wissenschaftlich, auch jurístisch betriebene völlig Verlust eines Wertesystems und die daraus resultierende Enthumanisierung ging dem voraus. Und die unglaubliche Simplizität, einem Menschen aus Schwarz, Weiß vorzumachen, Kategrorien, die über Jahrtausende gewachsen schienen, im Handstreich umzulegen, wie mit einem schlechten Zaubertrick. Was einen immer wieder abschreckt, ist, daß dies gerade in der Moderne, im 20. Jahrhundert geschehen konnte. Nicht etwa im "finsteren Mittelalter", womit man es noch auf die Unwissenheit hätte schieben können. Wahrheit ist ein gleichermaßen hohes wie empfindliches Gut.

Und diese Erkenntnis gibt Anlaß zur Sorge, auch für die Zukunft. Ich weiß nicht, wie jemand ernsthaft nach dem (ohne Zweifel erfreulichen) Einsturz des Kommunismus darauf hoffen konnte, nun sei die Geschichte praktisch am Ende, die Freiheit und die Marktwirtschaft hätten gesiegt, fertig aus, Jubel ohne Grenzen. Und das Spiel der Kräfte ohne Grenzen werde nun unaufhaltsamen Wohlstand für alle bringen. Schon kurze Zeit danach hat sich abgezeichnet, das auch dieses System keineswegs unbegrenzt halten wird. Es zerfrißt sich ebenfalls selbst, wenn auch mit stolz schwellender Brust. Das ganze "flankiert" (besser gesagt, gepiesackt) von einem wieder zunehmenden religiösen Fundamentalismus und sich aus wiederum einer Gegenbewegung formierenden Überwachungsideologie, die den Namen Orwell scheinbar vergessen hat. Währendessen bricht die Umwelt zusammen - wobei ich hoffe, aber nicht zu glauben vermag, daß sich alles ähnlich dem "sauren Regen" ähnlich, hoffentlich nicht bewahrheitet.

Die Vertreter der Wirtschaft werden es so lange hinnehmen, bis die Natur selbst zum unausweichlichen ökonomischen Gut wird, was dann allerdings sehr, wenn nicht zu spät sein dürfte. Den Politikern geht es ähnlich, wobei Ökonomie hier durch die Aussicht auf Wiederwahl ersetzt werden kann. Naja, es mag Ausnahmen geben, aber machen die den Kohl fett?

Den Fundamentalisten hingegen mag es eh egal sein, sie mögen währenddessen ihre Gebetsbücher in- und auswendig lernen, während die Karre gegen die Wand fährt. Ist ja auch scheißegal, eh "Gottes Wille" oder wessen auch immer, wird schon werden. Daß sie sich da mal nicht täuschen.

By the way, was auch die ganzen religiösen Diskussionen im Denkforum angeht, an denen ich mich ja ebenfalls schuldig gemacht habe: Ich frage mich immer, ob wir es uns heutzutage überhaupt leisten können, derartig sinnlose Diskussionen zu führen. Stellen wir uns vielleicht besser vor, wir sind allein - und auch allein verantwortlich. Wenn jemand Gott als Antriebskraft sieht, ist das ok., wenn nicht aber ebenso. Am Humanismus als Ausgangsprinzip geht für mich allerdings kein Weg vorbei. Die Fähigkeit, mitzuempfinden ist für mich weit wichtiger noch, als ein Glaube, denn diese Fähigkeit fragt nicht nach einer ideologischen oder religiösen Grundlage. Sie muß es zumindest nicht. Freilich scheint mir, daß der Zynismus des freien Spiels der Wirtschaft eine Reglementierung - auch durch eine Hoffnung auf mehr oder etwas Ehrfurcht - gut gebrauchen könnte.

Auf diese Weise - so scheint es mir jedenfalls - werden die Menschen sich immer wieder ans "Licht" retten, nur, um dann in die nächste Katastrophe zu purzeln.

So, genug gepredigt. Irgendwie habe ich ohnehin das Gefühl, daß viele meiner Beiträge irgendwie nicht zu beantworten sind, vielleicht auch einfach unpassend sind. Jedenfalls kommen sie mir mehr und mehr vor, wie eine Sackgasse. Vielleicht ist das aber auch normal, Geschichte halt, grins.

Das soll auch mein letzter Beitrag im Denkforum gewesen sein. Ich wünsche allen noch eine gute Zeit und alles Gute für die Zukunft.


Zwetsche
 
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AW: Der Fluch der Moderne

hallo, zwetsche!

es gibt von mir kein "Schade, dass du weggehst", weil du es selbstbewusst und anständig gemacht hast. respekt. ich habe mich gottseidank nie so sehr in religiösen oder anderen sinnlos-threads "schuldig" gemacht. viele leute beschäftigen sich heut in deutschland wieder mit religion und althergebrachten dingen. manche empfinden das als verrat an der aufklärung, als abwenden von der moderne.

dazu kann ich nur noch sagen: Willkommen im 21. Jahrhundert, in der Postmoderne (bin gespannt wie sie in 100 jahren genannt wird). die neuzeitliche aufklärung hat ihre widersprüche gezeigt und ist im feuer von zwei weltenbränden zusammengebrochen. die moderne als epoche trat auf die bühne. sie vezehrte sich aber an der ideologischen gegenseitigen vernichtung. noch heute beeinflussen uns ideologien, doch insgesamt gesehen nicht mehr so stark. willkommen in der postmoderne!

mal schaun wie es weitergeht....:confused:
 
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