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Che

psbvbn1

New Member
Registriert
1. Oktober 2006
Beiträge
1.237
hallo, forianer!

ich möchte hiermit mal wieder eine sehr umstrittene persönlichkeit der weltgeschichte ins blickfeld dieses forums rücken. Ernesto Guevara (de la Serna) ist meiner meinung nach einer der bewundersten leute des 20. jh gewesen. woran lag das?
nun vor allem an seinem charismsa, seinem unbändigen willen zur veränderung zur verwirklichung seiner selbstgesteckten ziele, die er dann auch prinzipientreu bis zum tode ausübte, oder gerade wegen ihnen seinen tod erlitt. was macht diese faszination für einen menschen aus, der massenexekutionen erließ und gnade im kampf nicht kannte, selbst gegenüber davon aber nicht ausnahm und so ein recht klassisch-pathetischer führer wurde?
 
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AW: Che

Hi p1.

Ich glaube es sind zwei Dinge, die an "Che" Guevara die Menschen von heute faszinieren:

Zum einen, weil er es gewagt, den USA, einer Großmacht, die sich, um ihre Ideologie zu verbreiten und ihre Wirtschaft zu verbessern mit Verbrechern und Tyrannen der übelsten Art verbündet hat, die Stirn zu bieten- nicht, so stellt es sich zumindest dar, um sich selbst zu bereichern, sondern weil er daran geglaubt hat, eine gerechtere Welt erreichen zu können. Anders als beispielsweise Fidel Castro, der Kuba nur von seinem pro Amerikanischen Diktator befreite, um das Volk dann als "sozialistischer" Diktator zu beherrschen.

Die andere Faszination, die von ihm ausgeht ist seine Entwicklung:
Da ist ein junger Medizinstudent aus Argentinien, der mit einem Freund eine Reise auf dem Motorrad quer durch Südamerika macht (-> Faszination Abenteuer). Auf dieser Reise sieht er das Leid der lateinamerikanischen Bevölkerung aufgrund von Armut und Ausbeutung (->Faszination Erweckungserlebnis). Aus dem sorglosen, abenteuerlustigen Studenten wird ein nachdenklicher, vielleicht auch zorniger junger Mann, der seine eigenen Träume (Vereinigung Lateinamerikas, Befreiung vom Imperialismus) und Ideale entwickelt und der auf eine gesicherte Existenz als Arzt verzichtet um zum Befreiungskämpfer zu werden. (-> Faszination Sinneswandel und Metamorphose). Davon träumen viele junge Menschen: Ein Ideal zu haben, dass dem Leben einen Sinn gibt. Sich aufzulehnen, gegen eine Welt der Ellenbogen, in der das Kapital herrscht und das Faustrecht gilt. Heute aktueller denn je (siehe Nokia und andere).

Bis hierhin bewundere ich Ernesto Guevara de la Serna.

Doch dann geht es bergab: Er schließt sich Castro an und hilft bei der "Befreiung" Kubas. Er wird Minister und scheitert kläglich. Macht sich heimlich aus dem Staub (oder, wie andere vermuten, wird aus dem Staub gemacht) und macht sich auf, um im Kongo und in Bolivien den Sozialismus zu verbreiten. Nichts bringt er zu Ende. In Bolivien erweist er sich oft als überheblich gegenüber seinen einheimischen Kampfgenossen, glaubt, dass nur er in der Lage ist den Kampf anzuführen. Sein Kampf in Bolivien wird zum Selbstmordkommando, er scheitert und wird schließlich umgebracht- wahrscheinlich unter Mitwisserschaft des CIA (kein Ruhmesblatt für "God's own country" und der Beweis, das Ches Kampf nicht ganz zu Unrecht stattfand.).

Er würde sich für eine Tragödie eignen: Der junge idealistische Mann, der für seine Ideale kämpft, über den Kampf vom Idealisten zum Extremisten wird, der Gutes erreichen will und doch das Böse entfesselt (-> Castro) und der schließlich, verlassen von aller Welt, alleine in Boliviens Urwald, sein Ende findet. Ein bisschen überspitzt und buchumschlagreif ;) ausgedrückt.

Mfg,
Sunnyboy
 
AW: Che

Für mich die diese Zeit lebhaft in Erinnerung habe - trafen Wolf Biermanns Worte seinerzeit am besten die tragische Person des Che Guevara:

http://www.youtube.com/watch?v=rhszn6tucjA

Die Aufnahme stammt aus dem berühmten Kölner Konzert Wolf Biermanns am 13. November 1976, in Folge dessen die DDR Führung endlich den Vorwand hatte ihn auszubürgern.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Che

hallo, forianer!

habe heut den uni-spiegel erhalten, wo eine aktion des RCDS (Ring Deutsch-Christlicher Studenten) bekannt wurde (mein JU-kumpan hatte es mir schon vorher erzählt), die mich glatt umhauten. darin wurde das plakat "Ciao, Guevara" als gegenreaktion zu studentenbuden, die das che-bild noch hängen haben, vorgestellt. sicher machen dies viele aus spass, nicht aus wissen, che hat große verbrechen begangen. wenn ich aber die anschuldigungpunkte sehe, die auf dem plakat anstatt seines gesichtes kleben, bin vor so viel ahistorismus fassungslos.

http://wissen.spiegel.de/wissen/dok...kat&quellen=+BX,WIKI,+SP,+MM,ALME,+MEDIA&vl=0
 
AW: Che

Hi p1.

Ich bin zwar geschichtlich interessiert aber hier muss ich passen- was, und das meine ich nicht rethorisch, ich weiß es wirklich nicht, ist an den Punkten des RCDS genau falsch?
 
AW: Che

Hi p1.

Ich bin zwar geschichtlich interessiert aber hier muss ich passen- was, und das meine ich nicht rethorisch, ich weiß es wirklich nicht, ist an den Punkten des RCDS genau falsch?

hallo, sunny!

ich stell hier erstmal das plakat rein:
http://rcds.de/upload/spiwpjszone6o4cm0lbewomivt9n507egq67dkg1bo3fc5qwxwzpkpajitwys0kf5.PDF

die meisten behauptungen sind leider tatsachen. allerdings gibt es zwei punkte, die nicht so ohne weiteres hinnehmbar sind.

1. che ließ zwar leider auch lager zur erziehung des "neuen Menschen" einrichten, aber das waren keine KZ, wie bei den nazis. es starben dort unter harten bediungen viele menschen, aber das vorsätzlich gegen homosexuelle und katholiken vorgegangen wurde stimmt nicht. es wurde gegen sie vorgegangen weil man sie als feinde des systems glaubte (was zum teil auch stimmte). mit diesem aspekt soll kuba unter che als dem deutschen faschismus ähnlich hingestellt werden, dem ist aber nicht so.

2. die abwendung vom allmächtigen zucker und der aufbau einer schwerindustrie war folgenreich. der zweite teil war sinnlos, weil das nicht so schnell gehen kann und bei kubas rohstoffen und handelsmitteln kaum zu verwirklichen ist. der erste teil wird hier in misskredit gebracht, weil ja dadurch die US-imperialisten enteignet wurden und somit nicht mehr ihre geschäfte auf kosten der armen zuckerrohrbauern machen konnten. das vorher kuba ein wirtschaftlich soldies land war, ist phantasie des RCDS. außerdem ist der zuckerrohrmonokulturanbau nicht sehr boden- und umweltfördend, die erträge gehen zurück, man war auf gedeih und verderb dem einen produkt, vermarktet durch die oligarchen der USA (ich sag nur die brüder Dulles und die United Fruit Company), ausgeliefert!

PS: ach und und dann noch eine inhaltliche korrektur: es gab schon ende 1960 gespräche über den schutz kubas durch waffen der SU, schon damals wurden von kubanischer seite atomwaffen gefordert. die SU lehnte noch ab.
 
AW: Che

hallo, forianer!

wie anderswo schon erwähnt. heute wäre che guevara 80 jahre alt geworden. vor 8 jahrzehnten kam er (nach der intension der meisten quellen) in rosario, der drittgrößten stadt argentiniens auf die welt!

sein tod ist nun schon über 40 jahre her und trotzdem gibt es in den großen tageszeitungen wie welt und faz noch erinnerungen und kritische rezensionen über ihn.
 
AW: Che

hallo, sunny!

ich stell hier erstmal das plakat rein:
http://rcds.de/upload/spiwpjszone6o4cm0lbewomivt9n507egq67dkg1bo3fc5qwxwzpkpajitwys0kf5.PDF

die meisten behauptungen sind leider tatsachen. allerdings gibt es zwei punkte, die nicht so ohne weiteres hinnehmbar sind.

1. che ließ zwar leider auch lager zur erziehung des "neuen Menschen" einrichten, aber das waren keine KZ, wie bei den nazis. es starben dort unter harten bediungen viele menschen, aber das vorsätzlich gegen homosexuelle und katholiken vorgegangen wurde stimmt nicht. es wurde gegen sie vorgegangen weil man sie als feinde des systems glaubte (was zum teil auch stimmte). mit diesem aspekt soll kuba unter che als dem deutschen faschismus ähnlich hingestellt werden, dem ist aber nicht so.

2. die abwendung vom allmächtigen zucker und der aufbau einer schwerindustrie war folgenreich. der zweite teil war sinnlos, weil das nicht so schnell gehen kann und bei kubas rohstoffen und handelsmitteln kaum zu verwirklichen ist. der erste teil wird hier in misskredit gebracht, weil ja dadurch die US-imperialisten enteignet wurden und somit nicht mehr ihre geschäfte auf kosten der armen zuckerrohrbauern machen konnten. das vorher kuba ein wirtschaftlich soldies land war, ist phantasie des RCDS. außerdem ist der zuckerrohrmonokulturanbau nicht sehr boden- und umweltfördend, die erträge gehen zurück, man war auf gedeih und verderb dem einen produkt, vermarktet durch die oligarchen der USA (ich sag nur die brüder Dulles und die United Fruit Company), ausgeliefert!

PS: ach und und dann noch eine inhaltliche korrektur: es gab schon ende 1960 gespräche über den schutz kubas durch waffen der SU, schon damals wurden von kubanischer seite atomwaffen gefordert. die SU lehnte noch ab.

Hallo, vor allem psbvbn1 und sunnyboy,

also wenn ich jetzt sagen würde: Anhand Eurer Texte hier muss man Che als Verbrecher bezeichnen - wäre das falsch?
Ist es falsch, Mao, Stalin, Pol Pot, Hitler... als Verbrecher zu sehen?
Ich glaube nicht.

Was hat Che mit den Vorgenannten gemeinsam?
Die Meinung, dass das Recht des Individuums auf freie Meinung, auf Individualität auf dem Altar ideologisch definierter Kollektivinteressen geopfert werden darf, ja muss!

Die ersten 3/4 des 20. Jh. waren von verschiedenen Arten solchen Kollektivwahns beherrscht - grauenhaft genug.
Wer sich da zum Führer aufschwang, hatte in jedem Falle die Überzeugung, dass ER und nur ER das Recht hatte zu definieren, was in Ordnung sei und was nicht. Und aus dieser Überzeugung wuchs die weitere Überzeugung, alle Andersdenkenden ggf. umbringen zu dürfen um des Menschenheils willen, das nur einer wirklich kannte: Der Führer.

Dem unterlag mMn auch Che und ist dadurch vom Idealisten zu dem Verbrecher geworden, der er wirklich war.

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Che

Hallo, vor allem psbvbn1 und sunnyboy,

also wenn ich jetzt sagen würde: Anhand Eurer Texte hier muss man Che als Verbrecher bezeichnen - wäre das falsch?
Ist es falsch, Mao, Stalin, Pol Pot, Hitler... als Verbrecher zu sehen?
Ich glaube nicht.

hallo, pispezi!

wenn du genaue erklären könntest, was mit verbrecher gemeint ist, dann könnte ich dir wahrscheinlich zustimmen. was che vielleicht ein wenig von den geistig wahnsinnigen, medizinisch kranken personen wie stalin, pol pot und hitler unterschied, war der aspekt, dass wenn ihm jemand mal blöd gekommen ist, er nicht gleich ihn hat verfolgen und töten lassen.
außerdem muss man bei allen genannten personen das soziale umfeld und das persönliche mit in der betrachtung einbeziehen. das problem bei Che speziell war, dass er von seiner grenzenlosen selbstdisziplin, die er in jungenjahren mit der krankheit erkämpft hat, auf andere schloss und forderte diese ebenfalls zu zeigen. davon zeugt das ideal eine "neuen Menschen", der selbstlos auf das materielle verzichtet, um höchste geistig-moralische vollkommenheit zu erreichen (guevara hatte einen hohen moralkodex!). das ist natürlich utopisch, mutet gar wie messianisch-asketische lebensauffassungen von spirituellen gruppen an, was eben der kommunismus in folge auch ist. marx hat es nicht geschafft, sich aus dem hegelianischen herauszudenken, seine nachfolger haben ihn aber wieder und wieder zitiert.
 
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AW: Che

hallo, pispezi!

wenn du genaue erklären könntest, was mit verbrecher gemeint ist, dann könnte ich dir wahrscheinlich zustimmen. was che vielleicht ein wenig von den geistig wahnsinnigen, medizinisch kranken personen wie stalin, pol pot und hitler unterschied, war der aspekt, dass wenn ihm jemand mal blöd gekommen ist, er nicht gleich ihn hat verfolgen und töten lassen.
außerdem muss man bei allen genannten personen das soziale umfeld und das persönliche mit in der betrachtung einbeziehen. das problem bei Che speziell war, dass er von seiner grenzenlosen selbstdisziplin, die er in jungenjahren mit der krankheit erkämpft hat, auf andere schloss und forderte diese ebenfalls zu zeigen. davon zeugt das ideal eine "neuen Menschen", der selbstlos auf das materielle verzichtet, um höchste geistig-moralische vollkommenheit zu erreichen (guevara hatte einen hohen moralkodex!). das ist natürlich utopisch, mutet gar wie messianisch-asketische lebensauffassungen von spirituellen gruppen an, was eben der kommunismus in folge auch ist. marx hat es nicht geschafft, sich aus dem hegelianischen herauszudenken, seine nachfolger haben ihn aber wieder und wieder zitiert.

Es ist eigentlich einfach:

Wer wegen einer Utopie mordet/morden lässt, ist eben ein Mörder, Punkt.
Und ein Mörder ist doch ein Verbrecher, oder?
Das ist alles, was ich sagen will.

LG, pispezi :zauberer2
 
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